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die echte Weiblichkeit nie verleugnenden Herzens. Ihre tiefe Religiosität, ihre zarte Gewissenhaftigkeit, ihr ernstes Streben nach Heiligung hielt der natürlichen Heiterkeit ihres Temperaments das Gleichgewicht und verlieh ihrem Wesen Ernst und Tiefe.

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 Die Art und Weise der Begegnung der beiden Eheleute war zart und liebevoll. „Jahrelang – sagt einer, der damals viel in Löhe’s Hause verkehrte – konnte man um sie sein, ohne einen ordinären Zug in ihrem ehelichen Leben zu entdecken. Bei aller Liebe der züchtigste Umgang, bei aller Ehrerbietung die innigste Gemeinschaft. Das Familienleben war ein wahrhaft schönes, ein Familienleben im höhern Chor. Man sah in demselben ein Ideal verwirklicht.“ Löhe war stolz darauf, ein solches Weib zu haben. Sie hinwiederum lehnte sich mit vollstem Vertrauen und innigster Hingebung an ihn an. Selbst beim Gebet legte sie gern ihren Arm in den seinigen. Sie hielt hoch von ihrem Manne und duldete in ihrer Umgebung nicht die leiseste Andeutung von Tadel über ihn. Sie konnte erregt werden, wenn z. B. ein Schüler zu sagen wagte: „Da hat mir aber der Herr Pfarrer ein Unrecht gethan.“ „Der Herr Pfarrer thut einem Buben wie Du bist kein Unrecht“, rief sie, dann mit flammendem Auge dem kühnen Sprecher entgegen, „das sagst Du mir nicht mehr.“ So empfindlich war sie gegen jeden, auch harmlosen Tadel ihres Eheherrn. Ein Augenzeuge erzählte uns folgende Scene: „Der Löhe sehr befreundete Pfarrer Dr. Layriz war eben, wie häufig, zu Besuch im Dettelsauer Pfarrhause anwesend, als die Kunde vom Tode des ehrwürdigen Bürgermeisters Merkel von Nürnberg eintraf. Layriz trat an das Instrument, griff in die Saiten und stimmte mit der Pfarrfrau den Choral an: „O, wie selig seid ihr doch, ihr Frommen“ etc. Löhe (dem bekanntlich die Gabe des Gesangs versagt war) stand am Fenster und hörte anbetend zu bis zu

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)