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anfangen, wider das Formelbeichten in der Privatbeichte zu reden, wie ich zuvor Jahre lang gegen die sogenannte allgemeine Beichte und ihre alleinige Herrschaft geredet hatte. Das Ziel, welches jetzt zu erreichen stand, war ein höheres, als dasjenige, nach dem ich vorher Jahre lang gestrebt hatte, und ich muß es gestehen, daß ich in fünfzehn langen Jahren zwar immer mehrere, aber bei Weitem nicht die Mehrzahl meiner Beichtkinder dahin führen konnte, frei vom Herzen zu beichten. Ich wurde mit den verschiedenen Formeln der Leute so bekannt, daß ich manchmal in den Christenlehren sagte: ,Plagt mich doch nicht so sehr mit Euren Formeln; ich kann sie nun alle schier auswendig, und Ihr dürft mir getrost nur den Anfang sagen, so weiß ich gleich, was Ihr sagen wollt.‘ Bei alledem aber und bei der großen Anstrengung, welche mir das tagelange Anhören bekannter Formeln verursachte, sagte ich doch oft im Kreise vertrauter Freunde: ,Die schlechteste Privatbeichte ist doch besser, wie die allgemeine.‘ Da kam der Eine und sprach statt der Privatbeichte den Pathendank, den er in seiner Jugend gelernt hatte, der Andere brachte ein Stück aus einem Lied, der Dritte einen Spruch, oder einen Theil von einer Beichte u. s. w. Es gab oft die wunderlichsten, ja possierlichsten Erfahrungen, aber – da corrigierte ich eben die Schnitzer und Böcke und Fehler und Mängel, lehrte die vier Bestandtheile jeder ordentlichen Beichtformel: Bekenntnis der Sünden, Bekenntnis des Glaubens, Bitte um Absolution, Versprechen der Besserung; und diese vier großen Dinge lernte die Gemeinde allerdings je länger, je besser, sich selbst für Leben und Sterben zu großem Gewinn. Wenn auch zuweilen eine ganze Reihe öder Beichten kam, so kamen doch auch wieder andere, bei denen auch die Formel voll Geistes und Lebens wurde, und allmählig fieng der Eine und der Andere an von Herzen zu sprechen, was unsern Landleuten

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/167&oldid=- (Version vom 1.8.2018)