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 Unter Löhe’s beichtväterlichen Tugenden nicht die geringste war, wie v. Zezschwitz mit Recht hervorhebt, seine Bescheidenheit und Zurückhaltung. Er wußte es aus tausendfältiger Erfahrung, daß es auf Erden keine Macht gibt, welche der eines Beichtvaters über willige Seelen gleichkommt, und daß vom Beichtstuhl aus bei den Protestanten so gut wie bei den Römischen alle natürlichen Verhältnisse gesegnet, aber auch unterminiert und gesprengt werden können. Um so mehr hielt er zarteste Discretion, Enthaltung von jeder ungehörigen Einmischung in private oder häusliche Verhältnisse, Respektierung der gottgesetzten Autoritäten des natürlichen Lebens für heilige Pflicht des Beichtvaters. In dem im Jahre 1866 in neuer Auflage erschienenen zweiten Bändchen seines „Evangelischen Geistlichen“ warnt er Seite 291 f. mit großem Ernst angehende Beichtväter vor der Gefahr und Sünde solcher Unbescheidenheit. „Ein rechter Beichtvater“ – sagt er dort – „will nicht Alles wissen, Alles bereden, ringt darnach, sein beichtväterliches Amt so zu führen, daß er Niemand beschwert, daß er jedem Lebensverhältnis ferne bleibt, unwissend, und gerade dadurch voll unschuldigen Einflusses auf alle seine Beichtkinder und deren Verhältnisse wird.“

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 Wie sehr ist es zu bedauern, daß es Löhe nicht vergönnt war, nach Art des alten Borromaeus, eine regula aurea für protestantische Beichtväter zu schreiben und so den Gewinn seiner reichen seelsorgerlichen Erfahrung dem nachfolgenden Geschlecht von Geistlichen nutzbar zu machen. Aber außer den wenigen hieher gehörigen Paragraphen seines „Evangelischen Geistlichen“ existiert nichts von ihm, was zur Einführung angehender Seelsorger ins beichtväterliche Amt dienen könnte. Was er sonst noch in das Kapitel von der Beichte Gehöriges geschrieben hat, ist Anweisung für Beichtkinder, doch freilich um mancher eingestreuten

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/171&oldid=- (Version vom 1.8.2018)