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 Nach diesen Grundsätzen handelte Löhe und zwar in folgender Weise.

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 Am Freitag vor dem Communiontag der Gemeinde fand nach dem Wochengottesdienst öffentliche Anmeldung statt. Dabei stand Löhe in der Mitte des Chors an einem Pulte und schrieb die Beichtenden nach Ortschaften und Hausnummern auf. Die Beichtkinder traten eins um das andere vor ihn hin. Mit einem flüchtigen, aber durchdringenden Blick des gewaltigen Auges musterte er die Herantretenden. Wer ohne Wink und Bemerkung passierte, gieng durch die Sakristei und legte, wenn er wollte, dort seinen Beichtgroschen nieder. Die, bei welchen sich irgend ein Hindernis fand, wurden bedeutet, bis zum Schluß der Anmeldung zu bleiben, um nachher dem Seelsorger in Gegenwart einiger Kirchenvorsteher Rede zu stehen. Gefallene Dirnen und ihre Verführer, Gemeindeglieder, die mit einander in Streit und Feindschaft lebten, kurz alle, die irgend welches öffentliche Aergernis gegeben hatten, wurden auf diese Weise angehalten. Nahmen sie Löhe’s Strafe und Vermahnung zur Buße an und gelobten sie Besserung, so wurden sie zur Absolution und zum Sacrament zugelassen. Zuweilen aber kam es auch vor, daß die Sünder hartnäckig blieben und des Seelsorgers Vermahnung mit frechen und trotzigen Reden vergalten oder auch dieselbe gar nicht annahmen, sondern zornentbrannt aus der Kirche liefen. In solchem Fall blieben sie bis zu eingetretener Buße vom Sacrament zurückgestellt. Da das Kirchenregiment in solchen Fällen Anzeige verlangt, so pflegte Löhe diejenigen, welche er von der Theilnahme am Sacrament zurückwies, zu fragen, ob sie Berichterstattung an das Consistorium verlangten. Die häufigste Antwort war: „’s ist mir Ein Handel (d. h. einerlei)“. „Dann ist’s mir auch Ein Handel“ – war Löhe’s gewöhnliche Erwiderung auf diese Rede – „und ich kann mir

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/174&oldid=- (Version vom 1.8.2018)