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mit dem Kinde und nach einigen Tagen brachte der Vater das Kind wieder, welches Löhe nun kaum mehr erkannte, denn das Gewächs, welches gewiß so groß wie ein Entenei gewesen war, war nun fast völlig verschwunden, eine kleine rothe Narbe zeigte noch die Stelle an. Das Kind war selbst voll Freude und ungemein zuthunlich gegen Löhe. Nachdem das entstellende Gewächs entfernt war, sah man erst, wie hübsch das kleine Mädchen war. Nach einigen Jahren starb aber die Mutter, und trotz der sorgsamsten Pflege einer Stiefmutter starb auch das zarte Kind, ehe es confirmiert werden konnte.




 Doch nicht blos leiblich Kranke, sondern auch Angefochtene und Besessene fanden auf Löhe’s Gebet oft wunderbare Heilung. Namentlich in früheren Jahren war der Zudrang solcher Hilfesuchender groß. Ein christlich geförderter Landmann von Dettelsau, in dessen Hause Leidende dieser Art meist Herberge fanden, äußerte mir gegenüber: „Man darf wol sagen, Dettelsau hatte damals eine Wunderzeit. Gemütskranke und Angefochtene giengen damals in meinem Hause, wo sie meist ihre Niederlage (Herberge) hatten, so zahlreich aus und ein, und konnten oft schon Tags darauf, wenn Löhe einmal über ihnen gebetet hatte, geheilt oder gebessert wieder abreisen, daß ich oft nicht einmal nach ihrem Namen fragte.“ Besessene blieben meist etwas längere Zeit, da ihr Zustand eingehendere pastorale Behandlung notwendig machte. Gemäß den in seinem „Evangelischen Geistlichen“ entwickelten Grundsätzen pflegte Löhe bald den compendiarischen Weg des Exorcismus, bald – und vielleicht häufiger – den langsamer zum Ziele führenden der seelsorgerlichen Behandlung und des Gebetes über dem Leidenden einzuschlagen.

 Die Beantwortung der Frage, ob in einem bestimmten Fall Besessenheit vorhanden sei, hielt Löhe nicht für leicht.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/210&oldid=- (Version vom 1.8.2018)