Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 2.pdf/211

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Nicht blos – sagte er – ist der Teufel ein Lügner, sondern auch die menschliche Natur ist voll Heuchelei und Gleißnerei, so daß Täuschungen leicht möglich sind. Fälle, in welchen die von den Alten als Kennzeichen der Besessenheit aufgeführten Erscheinungen sich zeigten, kamen ihm übrigens nicht selten vor. Ein Landmädchen, die über ein Vierteljahr in Neuendettelsau sich aufhielt und dann vollkommen befreit von ihrer Plage von hier weggieng, fieng z. B. plötzlich einmal an, englisch – und zwar ein ganz reines und correctes Englisch – zu sprechen. Eine andere las Messe wie ein römischer Priester. Auch die in manchen neueren Fällen bemerkte seltsame Erscheinung, daß Gegenstände, die sich unmöglich in einem menschlichen Leibe natürlicher Weise erzeugen können, als Glasscherben, Nadeln, Nägel, sich von solchen Kranken absondern, wurde von Löhe gleichfalls beobachtet, desgleichen die solchen Personen zuweilen eigene Gabe der Wahrsagerei etc.

.

 In dem ersten der oben erwähnten Fälle, der uns von dem schon genannten Landmann als Augenzeugen eingehend berichtet wurde, verfuhr Löhe folgendermaßen. Er ließ die betreffende Person jeden Abend nach Tisch in sein Haus bringen und die drei Artikel des christlichen Glaubens aufsagen, worauf er dann auch über ihr betete. Nur mit großem Widerstreben ließ sich die genannte Person in Löhe’s Haus führen. Anfangs brachte sie nicht einmal die ersten Worte des Glaubensbekenntnisses über die Lippen. Wenn sie ansetzen wollte zu sprechen: „Ich gl – –“, so war ihr plötzlich die Kehle wie zugeschnürt und sie fiel „wie ein Stück Holz“ zu Boden. Dazwischen hinein ließ sich eine widerwärtig schnarrende – von der Sprechweise des Mädchens ganz verschiedene – Stimme vernehmen: „Zu dem Schwarzen geh ich nimmer“. Auch in directer Anrede wurde Löhe oft mit dem Ehrenprädicat: „Du Schwarzer, du Schwarzer“

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/211&oldid=- (Version vom 1.8.2018)