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mußte sich heute der Geschichte halber im Landgericht vernehmen lassen. – ’s ist eine unverdiente Schmach.

 In der That wurde Löhe vom Decanat zur Verantwortung gezogen. Die Untersuchung löste sich natürlich in Heiterkeit auf.


Göttliche Verwarnung eines Wüstlings.

 Ein junger Bursche von frechen Sitten wollte einst zu einem jungen schlankgewachsenen Mädchen in Bechhofen durch das Fenster in die Kammer steigen, mit ihr Böses zu treiben. Die Dirne wies ihn schon darum zurück, weil an demselben Tage ihre Mutter gestorben war. Da rief der Wüstling aus: „Bist Du’s nicht, dann ist’s eine andere.“ Mit diesen Worten gieng er zu einer seiner älteren Geliebten. Da ergreift ihn plötzlich eine unsichtbare Gewalt, er fühlt sich an beiden Armen von starken Händen gefaßt und die Höhen von Bechhofen hinangeführt. Er hörte Tritte neben sich, er vernahm eine Stimme, aber er sah niemand. Vor ihm her gieng ein Lichtglanz. Mit unwiderstehlicher Gewalt riß es ihn fort bis an die Hopfengärten in der Nähe von Dettelsau. Während dessen hielt ihm eine mahnende Stimme alle seine Sünden vor, sein ganzes vergangenes Lasterleben, wurde vor seinen Augen vorübergeführt. Die Stimme, die mit ihm redete, hatte er auch schon auf dem Hinwege vernommen, da sie ihn mit Namen rief. Als er sich wieder frei gelassen fühlte, eilte er bestürzt in’s Dorf, aß und trank Tage lang nichts, gieng auch von da an über ein Jahr in alle Gottesdienste.

 Ob der Eindruck des wunderbaren Erlebnisses auf den Jüngling ein bleibender war, weiß Schreiber dieses nicht zu sagen.

 „Ein Teufel war’s wol nicht“ – schreibt Löhe an C. v. Raumer, dem er die Geschichte erzählte – „ob Mensch oder Engel, immerhin ein guter Geist.“


Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/235&oldid=- (Version vom 1.8.2018)