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An Herrn v. Maltzan.
30. Juni 1848. 

 „Hochgeehrter, theurer Freund!

 „Zwar schreibe ich Ihnen dieses in ganz anderen Umgebungen und Verhältnissen, als Ihre eigenen sind; aber wir beide und der Geist des Friedens und der Einigkeit, welcher zwischen uns weht und waltet, gibt Beweis und Beispiel, daß die Gemeinschaft der Heiligen durch nichts gehindert und aufgehalten werden kann, wenn sie Gott einmal gestiftet hat. Während Sie thätig in den neuen Bau eingreifen, welcher auch in Ihrem Vaterland sich erheben will, habe ich gar keine Gelegenheit gehabt, irgendwie etwas zu thun, als bei der Abgeordnetenwahl zum Parlament und durch meine Zeitpredigten, welche ich zwischen Ostern und Pfingsten gehalten habe. Während Ihr Auge insonderheit auf der staatlichen Bewegung ruht und haftet, ist meines der kommenden kirchlichen Bewegung zugewendet. Obwol ich lügen müßte, wenn ich sagen wollte, ich ginge den politischen Bewegungen nicht mit möglichster Aufmerksamkeit nach! Meine Freunde und ich merken wahrlich darauf, reden oft und viel davon, und ich meinerseits habe auch meine Pfarrkinder häufig auf die Kräfte der Lüge aufmerksam gemacht, welche jetzt die Welt durchweben und die Menschen durch Hoffnung zeitlicher Wohlfahrt bethören. Ich war je und je liberal und wie oft hat mich H. zürnend einen Radikalen genannt; wie hat mich namentlich jenes System der immerwährenden Bevormundung und Einschränkung persönlicher Freiheit empört, durch welches das Volk in tiefster Seele mit Haß erfüllt werden und ein Tag der Rache dämmern mußte. Welch ein Lügengeist herrschte in der Verwaltung und wie wurde das Volk durch Gebote ohne Zahl demoralisirt! denn da sie nichts ausführen konnten und doch verpflichtet

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/272&oldid=- (Version vom 1.8.2018)