Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 2.pdf/287

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auch gedrungen werde, von der Zucht aber gar keine Rede sei. Hätte man gleich von Vorneherein in der Reformationszeit Zucht gestiftet, hätte nicht Luther auch in die gereinigte Kirche Massen von Sauerteig mit herübergenommen, so würde die lutherische Kirche zwar an Zahl geringer geworden sein, aber es wäre besser um sie gestanden. Die allgemeinen Klagen unmittelbar nach der Reformation über das wilde, rohe, epikurische Leben so vieler die sich evangelisch nannten, die Lästerung der evangelischen Hauptlehre, würde nicht so haben überhand nehmen können, wenn man auf Gemeindezucht gesehen hätte. Zwar sei es leicht zu begreifen, warum die Reformation von vornherein in die Bahnen der Volkskirche eingelenkt habe. Zu jener Zeit sei ein religiöses Volksleben vorhanden gewesen, zwar kein reines, aber doch ein solches, dessen sich Luther bemächtigen konnte. Jetzt aber möchte durch lutherische und schriftgemäße Worte eine Volksbewegung auch von dem mächtigsten Geiste nicht hervorzubringen sein, es fehle den geistlichen Gedanken das weltlich-polemische Interesse jener Zeit.“ „Wenn die Kirche – schreibt er an v. Raumer – in unserer Zeit ist, was sie sein kann und darum zum Heile der Welt (paradoxon!) sein soll, so ist sie eine sehr kleine Minorität. Sie wird keine Macht, wenn sie nicht klein wird. Was nicht intensiv ist, ist nicht extensiv.“ Die Entwicklung der nächsten Gegenwart hat damals den Gegnern Löhes recht gelassen, insofern die Landes- und Massenkirchen unter göttlicher Geduld bis zur Stunde ihre Existenz fristen. Aber diejenigen, denen die Gegenwart recht gibt, sind es in der Regel nicht, die auch in der Zukunft recht behalten. Wenn über kurz oder lang der Zusammenbruch der Landeskirchen Thatsache wird, dann wird man wieder auf die Löheschen Gedanken von 1848 sich besinnen müssen, und vielleicht dienen sie dann der Kirche der Zukunft zur Orientierung in den veränderten Verhältnissen, wie sie für die Kirche der Gegenwart ohne Zweifel die Bedeutung einer

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/287&oldid=- (Version vom 1.8.2018)