Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 2.pdf/286

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 Man mag wol fragen, warum Löhe all diesen Einigungsversuchen gegenüber sich so ablehnend oder doch kühl verhielt und so wenig Freudigkeit zum Zusammenschluß mit größeren Kreisen Gleichgesinnter zeigte. Schon damals zog ihm sein Verhalten den Verdacht und Vorwurf eigenliebiger Selbstabschließung zu. Dieser Deutung seines Verhaltens widersprechen aber zahlreiche Aeußerungen Löhes in Briefen und Tagebüchern, aus denen ersichtlich wird, mit welch tiefer Traurigkeit er sich mehr wie sonst isoliert und seinen Lebensweg einsamer werden sah. Der Grund der Differenz zwischen ihm und kirchlich ihm sonst nahestehenden Männern lag anderswo. Löhe trug ein höheres Ideal von der Kirche der Zukunft im Herzen, als jene verwirklicht zu sehen begehrten oder als er es in der separierten Kirche Preußens verwirklicht fand. Während man damals in den lutherisch gesinnten Kreisen Deutschlands Erhaltung der lutherischen Kirche als Volkskirche nur etwa mit entschiedenerer Betonung der konfessionellen Grundlage und deshalb, bei etwa notwendig werdenden Aenderungen, eine Einrichtung der Kirche möglichst auf dem alten Fuß, eine Zusammenfassung alles dessen was lutherisch hieß in den alten, nur etwas ausgebesserten Schläuchen wünschte, glaubte Löhe, es sei nun die Zeit der Sichtung für die Volkskirchen angebrochen, es gelte einen engeren Zusammenschluß der lebendig gläubigen, bewußten Glieder der Kirche, eine Reorganisation der Gemeinden nach dem Muster der apostolischen Kirche nicht nur nach Seite der Lehre oder, der Verfassung, sondern auch nach Seite des Lebens. Daher genügte es ihm nicht, in den ihm verwandten Kreisen zwar die Notwendigkeit des Bekenntnisses als der Grundlage der Einheit der Kirche anerkannt zu sehen, er meinte vielmehr, es müsse auch mit den apostolischen Anforderungen an das Leben der Gläubigen, besonders an das christliche Gemeindeleben, mehr Ernst gemacht werden. Er war betrübt zu bemerken, „daß in allen Programmen zwar Bekenntnis, Kultus, Verfassung genannt und auf ersteres

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/286&oldid=- (Version vom 1.8.2018)