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tatsächliche Bestand der bayerischen Landeskirche sei freilich in vielen und wesentlichen Stücken unlutherisch. Allein bei der Unvollkommenheit irdischer Zustände werde überall der tatsächliche Zustand ein von der Rechtsregel mehr oder weniger abweichender sein. Die Herrschaft des Rechts bestehe überall nur darin, daß es von der Gemeinschaft der darunter Stehenden als Recht anerkannt sei – und daß Anstalten dafür bestehen, um einen vom Recht abgewichenen tatsächlichen Zustand mit dem Recht wieder in Einklang zu setzen.

 An diesen juristischen Wahrheiten habe man nun den Zustand der bayerischen Landeskirche zu messen, um zu finden, ob sie eine lutherische zu sein aufgehört habe und zwar werde es nach Art. VII. der Augustana nur darauf ankommen, ob in jenem Sinne reine Lehre und rechte Sakramentsverwaltung noch in ihr zu Recht bestehe.

 „Der Rechtssatz – fährt Scheurl fort – daß alle kirchliche Thätigkeit, insbesondere aber die öffentliche Lehre bestimmt sein müsse durch die lutherischen Symbole, der gemeines Recht aller lutherischen Landeskirchen und durch alle unsere Kirchenordnungen bestätigt ist, ist niemals für die bayerische Landeskirche aufgehoben worden... Religionsedikt und Verfassungsurkunde erkennen die lutherische[1] Kirche als eigene Kirche an neben der reformierten. § 38 des Religions-Edikts erkennt ganz ausdrücklich die fortdauernde


  1. Anm. Freilich ohne sie mit diesem Namen zu bezeichnen. § 9 von Tit. IV der Verfassungs-Urkunde spricht von den „in dem Königreich bestehenden drei (später vier) christlichen Kirchengesellschaften“ und § 24 der II. Beilage zur Verfassungs-Urkunde erkennt „die in dem Königreich bestehenden drei christlichen Glaubenskonfessionen als öffentliche Kirchengesellschaften“ an. In dem „Edikt über die inneren Angelegenheiten der protestantischen Gesamtgemeinde in dem Königreiche“ wird § 2 und 4 protestantisches und reformiertes Glaubensbekenntnis einander entgegengesetzt, woraus wohl mit Recht gefolgert wird, daß hier „protestantisch“ in geschichtlichem Sinn genommen werden muß, wonach es ursprünglich die Lutheraner d. h. die Anhänger der deutschen Reformation mit Ausschluß der Reformierten bezeichnet.
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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/348&oldid=- (Version vom 1.8.2018)