Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 2.pdf/465

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nicht bloß deshalb, weil man ihm etwa die Stolgebühren reserviert.

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 Es kommt aber noch viel Ernsteres in betracht. Hält man die kirchliche Ordnung als Princip fest, so kann man jeden Ausnahmefall heilsam regeln. Hebe ich aber die Ordnung auf, so schaffe ich Zustände, die gleich zweischneidigen Messern nach entgegengesetzten Seiten hin durchschneiden. Die Sache wäre minder schlimm, wenn man einfach zwischen Gläubigen und Ungläubigen eine Scheidelinie ziehen könnte. Allein dazwischen gibt es ein Mittelgeschlecht Schwankender, Unentschiedener, Suchender. In dieser Region walten noch allerlei Gelüste, Sympathien oder Antipathieen vor. Sind diese Leute durch die Ordnung an ihren gläubigen Pastor gebunden, so schadet es ihnen nicht; noch weniger den gläubigen Geistlichen, welche in der Regel verkommen oder auf Abwege geraten, wenn sie verlernen, sich mit dem Herrn Christo auch der misera plebs anzunehmen. Erfahren aber diese Mittelschlächtigen vollends, daß sie keine Ordnung an ihren Pastor bindet, so werden sie alsbald das Joch, das ihnen mit der Zeit sanft werden könnte, abschütteln, und sich jene Lehrer aussuchen, nach welchen ihnen die Ohren jücken. Das könnte immerhin geschehen, wenn sie mit der Kirche förmlich gebrochen haben. Die Kirche selbst aber kann unmöglich die Hand dazu bieten, daß sie nach Belieben ihrer Weide nachgehen, so lange sie nicht sich selbst losgesagt haben oder in verdienter Weise ausgeschlossen worden sind. Sonst fürchte ich, daß, wenn man durch Ausscheidung bloß die Gläubigen sicher stellen will, das Wort Luthers eintreffe, wenn er sagt: „Du wirst es auch nicht dazu bringen, daß auf Erden solche Sonderung werde, da der Weizen von dem Unkraut ganz rein geschieden sei, das ist Sekten, Ketzer und falsche Christen von den rechtschaffenen; und ob Du gleich Dich wolltest des unterstehen, so richtest Du doch nichts aus, denn daß Du auch diejenigen, so noch zu belehren

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/465&oldid=- (Version vom 1.8.2018)