Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 2.pdf/494

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

findet er desto mehr Anwendung, weil die zu Falle Gebrachte, welche B. nun sitzen läßt, keine Eltern mehr hat, also auch keinen Vater, der nach Vers 17 desselbigen Kapitels gegen die Verehelichung hätte einen Einspruch machen können. B. hat vor dem Pfarramt mit der ihm eigenen Leichtfertigkeit erklärt, er könne sich mit dieser nicht verehelichen, weil er Geld brauche.

 Die N. N. bringt ihm nämlich nach den Akten 250 fl. zu, in Wirklichkeit soll es nicht einmal soviel sein.

 Schon dieser Grund Nr. 3 würde dem gehorsamst Unterzeichneten es sehr erschweren und fast unmöglich machen, dem N. N. zu seiner neuen Ehe die Hand aufzulegen.

 Landpfarrer wissen es am besten, wie sehr das Volk durch Nichtbeachtung der angeführten Bibelstelle, die man weder ceremonial- noch polizeigesetzlich nennen kann, demoralisiert wird. Kann der Staat auch Grundsätze, wie die 2 Mos. 22, 16 unter den gegenwärtigen Umständen sich nicht aneignen, so darf sich doch die Kirche von dem Worte ihres Gottes nicht entbinden.




 Die Weigerungsgründe Nr. 1 und 3 haben für den Unterzeichneten an und für sich selber eine große Stärke. Sie gewinnen aber samt dem Nr. 2 unter den gegebenen Verhältnissen noch weit größeren Nachdruck. B. ist nämlich ein Mensch, der seit vielen Jahren nicht mehr zur Kirche und zu Gottes Tisch geht, weil er früherhin seiner Liederlichkeit wegen, insonderheit seiner Völlerei wegen von dem Unterzeichneten öfters ermahnt wurde. Der letzten Ermahnung seines Wandels halber entzog er sich dadurch, daß er sich entfernte. Er ist ein ganz gewöhnlicher Sakramentsverächter, der von seinem Leben ebensowenig Hehl macht, als er sich bessert, der auch frank und frech vor seinem Pfarrer sagen kann, daß ihm am Christentum nichts liege. Er erklärte gestern bei Übergabe seiner Traulicenz ungeniert

 1. Daß ihm an der Trauung gar nichts liege, seine Ehe werde nicht bei dem Versprechen vor dem Altar angefangen, sondern sei angefangen (er wollte ganz offenbar sagen: vollzogen) worden, wie er sich mit seiner Braut persönlich versprochen habe; wenn er nur ungehindert mit ihr leben könne, sei es ihm gleich, ob er eingesegnet werden könne oder nicht.

 2. Er erklärte ferner, ich würde gewiß noch sehen, daß er von der christlichen Kirche austräte. Als ich ihn fragte, ob ihm am Christentum gar nichts liege,

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 488. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/494&oldid=- (Version vom 1.8.2018)