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zu urteilen und zu thun hat, und ich bekenne mich daher hiemit als Christ und Pfarrer unfähig, Personen zur zweiten Ehe einzusegnen, welche wegen böslicher Verlassung geschieden sind.

 2. Das Ehegericht hat alle Schuld dem Weibe zugesprochen und nach den Akten wird das auch ohne Zweifel ganz richtig sein, allein so wenig ich die geschiedene Ehefrau des B. von Schuld freisprechen möchte, so ist doch der Hergang, den ich selbst durchlebte, von der Art, daß meine persönliche Überzeugung und vielleicht die Ueberzeugung der ganzen Gemeinde Neuendettelsau in solchem Maße eine andere ist, daß sie es in diesem Falle wagen muß, auch gegenüber einem richterlichen Erkenntnis sie aufrecht zu erhalten und auf die amtliche Handlungsweise des Pfarrers bei der B.schen Wiederverehelichung einzuwirken.

 Es ist wahr, daß das Weib nicht hier bei ihrem Manne, sondern bei den Ihrigen in W. eine Stunde von hier ihre letzten Jahre zubrachte, und das ist ja die Veranlassung, von welcher die Rede ist. Allein es ist auch wahr, daß B. sie so behandelte, daß sie kaum bei ihm bleiben konnte. – – Er wußte es anzustellen, das ihm das Weib vom Hause blieb, und ist sich in seinem Benehmen gegen sie allzeit treu geblieben. Würde ich ihn nun trauen, so würde mein Verhalten den schlimmsten Eindruck auf die Gemeinde machen und bei den obwaltenden Umständen von der Gemeinde, jedenfalls aber von deren besserem Teil gar nicht begriffen werden, da ihn gewiß kein Mensch für unschuldig hält, sondern für den eigentlich schuldigen Teil. Ich weiß, daß dieser Weigerungsgrund ohne den ersten keinen Halt hätte; aber in Verbindung mit dem ersten hat er Kraft, zumal es meine Pflicht ist allewege so zu handeln, daß meine Gemeinde nicht bloß zwischen meinem Verhalten und dem göttlichen Wort, sondern auch zwischen ihm und der von demselben geforderten Führung der Seelen keinen Widerspruch erkenne.

 3. Wollte man annehmen, daß dem B. die Wiederverehelichung zu gestatten sei, was doch von dem Standpunkte des göttlichen Wortes nicht zugegeben werden kann, so müßte er die Frauensperson ehelichen, von der er indessen zwei Kinder erzeugt hat, die ihm auch keinen Grund gab, von ihr abzulassen... Er müßte es thun kraft des Wortes Gottes 2 Mos. 22, 16:

 Wenn Jemand eine Jungfrau beredet, die noch nicht vertrauet ist, und beschläft sie, der soll ihr geben ihre Morgengabe und sie zum Weibe haben.

 Die Gemeinde Neuendettelsau kennt diesen Spruch, mein seelsorgerisches Handeln wurde in vielen Fällen nach demselben geregelt; in dem B.schen Falle

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 487. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/493&oldid=- (Version vom 1.8.2018)