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oder Unierten nicht um die Barmherzigkeit, sondern um das Recht. Der lutherische Pfarrer habe keine Erlaubnis die parochialen Schranken zu überschreiten; wie könne er die konfessionellen Grenzen überspringen? Wer habe ihn denn zum Dienst der Reformierten oder Unierten berufen? Der lutherische Pfarrer habe nicht bloß keine Pflicht, sondern nicht einmal ein Recht, fremde Schafe zu weiden. Aber „man stempelt eben das Unrecht zur Barmherzigkeit um, damit man es thun kann, anstatt das Gewissen für Recht und Unrecht zu erwecken.“

 So komme es denn, daß in vielen Gemeinden Bayerns ja fast überall, wo es eine reformierte oder unierte Diaspora gebe, Abendmahlsmengerei herrsche, und bekenntnistreue Lutheraner in solchen Gemeinden in innere Bedrängnis und Gewissensnot gerieten, deren sich niemand annehme. Sie in ihrer Notlage zu beraten hält Löhe für unabweisbar gebotene Pflicht. Aber nur langsam und zögernd entschließt er sich diesen Rat zu geben. Er würdigt zunächst die verschiedenen sich darbietenden Möglichkeiten, einen Ausweg aus den schwierigen Verhältnissen zu finden: Auswanderung nach Amerika, Ansiedlung in einer deutschen Gemeinde mit ungemischter Abendmahlsgemeinschaft, Wallfahrt an rein lutherische Altäre zum Zweck des Sakramentsgenusses nach eingeholtem Dimissorium des kompetenten Pfarrers.

 Was den ersten Rat anbelangt, so verhehlt sich Löhe nicht, daß er unter den dermaligen Umständen wenig Anklang finden werde. Der Gedanke einer Auswanderung nach Amerika, so populär er eine Zeitlang in der kirchlichen Not unter der lutherischen Bevölkerung des Frankenlandes gewesen sei, habe seine Anziehungskraft völlig verloren, seit infolge der Lossagung der fränkischen Kolonieen von der Person und der kirchlichen Richtung des Stifters die amerikanische Kolonisation ins Stocken geraten sei. Der zweite Rat, Ansiedlung in einer Gemeinde mit rein lutherischer Abendmahlspraxis,

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 520. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/526&oldid=- (Version vom 1.8.2018)