Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 3.pdf/238

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Mit dem Schlag dieser Stunde fiel die ganze Gemeinde (auch das Diakonissenhaus feierte diesen Tag mit der Dorfgemeinde) auf die Kniee und stimmte unter dem Geläute aller Glocken den hohen Lobgesang an: Wir danken Dir, HErr Jesu Christ, daß Du für uns gestorben bist. Gegen Abend fand dann eine eigenartige Nachfeier im Betsaal statt, so recht geeignet, die geistliche Anspannung, in welche die Betrachtung und Vergegenwärtigung der Passionsgeschichte die Seele versetzt hatte, zu lösen und die großen Eindrücke des Tags im Gemüt sanft verklingen zu lassen. Nochmals gieng während der Verlesung der Leidensgeschichte nach Matthäus die Passion des HErrn an der Seele vorüber, zwischen den einzelnen Lektionen ertönten Palästinas Improperien und andre altkirchliche Gesänge, und in den beruhigenden Akkorden der Arie „Am Abend, da es kühle war“ etc. und des Schlußchors der Matthäuspassion von S. Bach klang die Feier lieblich aus. Die musikalische Ausgestaltung dieser Feier war das Verdienst des musikkundigen Conrektors Lotze (jetzt Oberkirchenrat in Gera), die Weihe durchs Wort erhielt sie von Löhe, dessen Ansprache, oft mehr laute Meditation als Predigt, das Ganze schloß. Es war, ohne daß der Name für die Sache bereits vorhanden gewesen wäre, eine liturgische Andacht, in jenem tieferen Sinn des Worts, in welchem, wie Löhe einmal in einer Predigt über Luc. 24, 6 sagte, alle Religion Andacht, nämlich Erinnerung, Erweckung des Andenkens an die heilige Vergangenheit, gläubige Vergegenwärtigung der großen Thaten Gottes zu unserm Heile ist.

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 So manches Psalmwort, das Liebe und Sehnsucht nach und Freude an den „schönen Gottesdiensten“ des HErrn ausspricht, wurde damals dem Hörer aus eigener Erfahrung verständlich, und der Betsaal selbst ihm dadurch ein lieber und werter Ort. Jetzt freilich hat er, da er für die stets wachsende Anstaltsgemeinde nicht mehr genügte, aufgehört dem gottesdienstlichen Zweck zu dienen

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/238&oldid=- (Version vom 1.8.2018)