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und den Zäunen errichtet, dazu reichten die Mittel indes nicht. Aber wenigstens unentgeltliche Aufnahme und Verpflegung im Hospital suchte er den an „Straßenübeln“ Leidenden unter ihnen zu sichern, und die Wohlthat der für auswärtige Schulkinder und Dorfarme errichteten Suppenanstalt war auch für sie.[1] Ebenso wurde er nicht müde, bei jeder Gelegenheit, namentlich wenn er über Perikopen wie 1 Petr. 4, 7 ff. oder das Evangelium des 2. Sonntags nach Trinitatis predigte, zur Liebe der Fremdlinge zu ermuntern. Die Neuzeit hat ja durch Herbergen zur Heimat, Arbeiterkolonien u. s. w. dem großen Notstand eine Abhilfe zu schaffen begonnen, vor drei Jahrzehnten aber konnte Löhe mit Recht die Pflege der Fremdlinge ein in unsern Gegenden „noch ganz unverstandenes und unerkanntes, deshalb auch zum Teil verlästertes großes Arbeitsfeld der Barmherzigkeit“ nennen. Um andern Mut und Lust zu machen, ging er selbst mit gutem Beispiel voran, führte eine Weile selbst die Kontrolle über die zugereisten Handwerksburschen, überwand sich mit einer ihm gewiß nicht leicht gewordenen Selbstverleugnung, ihre oft so ekelerregenden Wunden und Schäden in Augenschein zu nehmen und bei dieser Gelegenheit auch ein Wort an ihr Herz zu reden. Es geschah


  1. Wenn ich mich recht erinnere, war es bei der Eröffnung dieser Suppenanstalt, daß, als eben die Freunde des Diakonissenhauses mit den Schwestern beim einfachen Festmahl von Rumfordscher Suppe beisammen saßen, ein wandernder Handwerksbursche an die Pforte des Männerhospitals pochte und um eine Gabe bat. Man rief ihn sofort herein, gab ihm einen Ehrenplatz und bedeutete dem Überraschten, daß er heute nach Matth. 25, 35 den Herrn Jesus in der Mitte der Versammelten vertrete. Es erregte Heiterkeit und wurde als ein gutes Omen gedeutet, als man den Namen des unvorhergesehenen Gastes erfuhr: er hieß Schuldenzucker. Schulden machen zu müssen, um Barmherzigkeit üben zu können, war in Dettelsau oft eine Notwendigkeit, deren Bitterkeit man dennoch fühlte. Da konnte man zur Versüßung der bitteren Pille „Zucker für Schulden“, Tröstungen durch manche wunderbare Hilfe Gottes, wol brauchen.
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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/256&oldid=- (Version vom 1.8.2018)