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 So war auch bei Löhes Sterben nichts von all der Herrlichkeit zu spüren, mit der er selbst durch Gebet und Trost der Schrift so manches Sterbelager zu verklären, so manches Siech- zum Siegesbette zu wandeln wußte. Nicht einmal einer Äußerung dessen, was innerlich in ihm vorgieng, war er mehr fähig, regungslos, wie der Welt schon entrückt, ganz in das verborgene Innenleben der Seele zurückgezogen, lag er da. Ein tiefer, feierlicher Sterbensfriede war um ihn her. Recht einfach und gering war deshalb auch der seelsorgerliche Dienst an seinem Sterbebette: er beschränkte sich auf die Fürbitte für die im Todeskampf ringende Seele. So manches Mal hatte Löhe in Leichenpredigten die Frage aufgeworfen, ob es wünschenswert sei, bei klarem Bewußtsein zu sterben; immer aber die Frage dahin beantwortet, daß man dies ruhig der Fügung Gottes überlassen könne, daß ihm für seine Person nicht so viel daran liege, daß er darum bete; genug, wenn der Tod uns, ob wachend oder schlafend, nur in Jesu Wunden finde. Es sei überhaupt ein seltner Fall, daß der Todesaugenblick den Menschen bei ganz wachen Sinnen antrete; in der Regel gehe dem Tod wie dem Schlafe ein Zustand vorher, den die Theosophen richtig als turba bezeichneten: eine Verwirrung, ein Hinabsinken des Geistes unter die Bewußtseinsschwelle. So war es bei ihm; er wurde träumend durch die Todespforten geführt. Als die letzte Not begann, sang man das Lied: O Lamm Gottes etc., unter dessen Klängen er, wie einst seine Mutter, zu verscheiden gewünscht hatte, und betete die Sterbelitanei. Endlich, um die fünfte Nachmittagsstunde des 2. Januar (1872) kam die Erlösung, da die Seele aus dem bereits verfallenen Tempel ihres Leibes gieng. Nur um Weniges hatte Löhe das 63. Jahr, das große Stufenjahr, überschritten. Ein brennendes und scheinendes Licht der lutherischen Kirche des 19. Jahrhunderts war erloschen.

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 Am 5. Januar trug man ihn zu Grabe. Auf dem schön

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/330&oldid=- (Version vom 1.8.2018)