alles kommt mir zu. Ich schütte den Tee ein, denn das ist mein Tee. Sie hat damit gar nichts zu tun! Verstanden? Reiche mir also den Tee. Da oben auf dem Kredenztische steht er, in der Blechbüchse. Dort nimm auch das Drahtkörbchen heraus mit den Semmeln!“
Und nachdem er mit den Fingern ein winziges Prischen Tee der Büchse entnommen, verschloß er diese wieder sorgfältig und ließ sie wieder auf den Kredenztisch stellen. Dann erst schüttete er den Tee in das Kännchen.
Käthe hielt zwar jetzt ihre Anwesenheit im Zimmer für überflüssig. Was aber sollte sie anfangen mit dem Briefe? Beständig fühlte sie ihn auf der Brust; bei jeder Bewegung rieb er sich daran mit seiner glatten Oberfläche und erinnerte sie an ihr Versprechen.
Leise schlich sie zur Tür und blieb dort stehen, um die regungslose Gestalt ihrer Herrin zu beobachten. Dabei kam ihr doch der Gedanke, sie handle unrecht, wenn sie ihr zu solchem Betruge verhelfe.
Dieser Herr war zwar ein böser Mann, ein widerlicher Nörgler, ihr aber hatte er noch nichts Böses getan. Und selbst, wäre dies der Fall gewesen, so durfte sie dennoch nicht so gegen ihn auftreten.
Ungewiß und schwankend, wünschte sie lieber, sich streng neutral zu verhalten und preßte daher jenen unheimlichen Brief, der sie jetzt wie mit einer Zentnerlast belud, immer fester an die breite Brust.
Inzwischen erhob sich der Herr und legte die Bücher auf die Erde, um den Tee überzugießen.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/073&oldid=- (Version vom 1.8.2018)