besser verstand als ihr Gatte, konnte sie in Käthes Berechnung nicht die geringste Ungenauigkeit entdecken, oder den Versuch, auch nur einen Pfennig zu veruntreuen.
Dumpf grollend saß sie im Halbdunkel da und blickte nach der an der Tür stehenden Käthe.
Also mußte sie wirklich das A B C der kleinen alltäglichen Sünde diese Magd erst lehren?
Das ärgerte sie und schon der Gedanke daran langweilte sie unbeschreiblich.
Am liebsten käme sie, wenn alles fertig ist.
Wie aber alles ein Ende nehmen muß, so mußte auch Käthes makellose Ehrlichkeit ein für allemal in das Schwanken geraten und in die Brüche gehen.
So brav und redlich wie bisher sollte sie nicht länger durch das Leben gehen, wenn anders sie nicht zu den nach den Begriffen ihrer Umgebung der Vernunft beraubten Wesen gehören wollte.
Ihre nicht auf festen Grundsätzen beruhende Ehrlichkeit mußte in der Finsternis schwanken, in der sie keinen Grund mehr unter ihren Füßen fand.
Übrigens wurde wieder der Zufall Julias Bundesgenosse:
Käthe war verliebt…
Diese Liebe war ganz alltäglich und dennoch nicht ohne sentimentalen Anflug.
Vor allem war Käthe ein Weib, welches in die Welt erst eintrat, nachdem sie beim ersten Anblick Johanns ein anderes Gefühl empfand als jene Angst, die bisher alle Männer in ihr erregten.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/181&oldid=- (Version vom 1.8.2018)