Seite:Zapolska Käthe.djvu/193

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Dieses große Mädchen aus dem Volke trug noch immer die ganze Schüchternheit eines Kindes an sich, welches vor jeder Schlechtigkeit mit Abscheu zurückschreckt.

Nur das Leben und die Verhältnisse stießen Käthe in den Abgrund, langsam und allmählich durch kleinliche Alltagssünden, gegen die sie sich zwar wehrte, aber nicht kräftig genug, wie ein Wesen ohne jeden Halt…

Der Herr merkte den Betrug gar nicht und obgleich sie eine Höllenangst ausstand, wenn sie die Zahlen fälschte, fiel doch kein Schwefelregen auf ihr Haupt.

Die Herrin war vollständig befriedigt und streichelte sie mit der Hand, nachdem sie sogar in der Küche ein Räucherkerzchen angezündet. Der süßliche Duft vermischte sich mit dem Geruche des im Topfe kochenden Weißkohles.

Auch Käthe lächelte befriedigt beim Anblick Julias, deren glatter Kopf in den blauen Wölkchen des über das Licht gehaltenen Kerzchens verschwand.

Nur eines konnte Käthe an jenem Abende nicht fertig bekommen.

Als sie nach beendeter Abrechnung und Küchenarbeit niederkniete zum Abendgebet, vermochte sie dies nicht so wie sonst zu Ende zu sprechen. Unwillkürlich blieben ihr die Worte in der Kehle stecken und die Augen starrten hartnäckig an die Wand, anstatt die Heiligenbilder anzublicken.

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/193&oldid=- (Version vom 1.8.2018)