ihr gleichgültig waren, fühlte sie, daß die Nacht hereinbreche und mit ihr die Notwendigkeit für sie selbst sich ergebe, irgendwo unter Dach und Fach zu kommen.
Hunger empfand sie nicht mehr, aber unbeschreibliche Angst vor der Nacht.
Und weiter, immer weiter schritt sie an den Häusern entlang und sah nur nach den dunklen Kellerfenstern. O, könnte sie nur dort hinein gelangen und nächtigen! Das wäre unzweifelhaft das allersicherste!
Stockfinster schon war es, als Käthe sich plötzlich vor dem Zaune des Polytechnikums befand.
Völlig menschenleer war es in diesem, fast nur von der Aristokratie bewohnten Stadtteile.
Hoch ragten die weißen Häuser empor, wie riesige Grabmäler, die nur Leichen in sich bergen oder in Untätigkeit oder Schwelgerei verkommende Menschen.
Die langen Fensterreihen sahen so düster aus, wie Augenhöhlen von Totenköpfen.
Schon bei Lebzeiten setzten sich dort die Großen des Landes ihre Grabsteine.
Lebensfrisch auf diesem Totenhofe erhob sich nur das Polytechnikum, weit geöffnet zum Empfange der aus der Stadt herüberschallenden Frühlingslaute.
Unwillkürlich setzte sich Käthe vor dem Zaun auf einen umgestürzten Baumstamm und lehnte das matte Haupt an die Planken. Obgleich nirgends ein Polizist zu sehen war, wußte sie doch, daß sie nicht
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/378&oldid=- (Version vom 1.8.2018)