Seite:Zapolska Käthe.djvu/377

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Mit dem Kennerblick des Mannes wußte er Käthes jugendliche Gestalt zu schätzen und gelangte zu der Überzeugung, sie könnte, falls sie schlechte Neigungen hätte, mit Leichtigkeit sich reichlichen Lebensunterhalt sichern.

Da sie aber vor den Altarstufen umsank vor Hunger, mußte sie ein ehrliches Mädchen sein.

Und ohne weiter nachzuforschen oder Vorwürfe auf das Haupt der Unglücklichen zu schleudern, forderte er sie auf, nach drei Tagen sich in der Sakristei einzufinden zur Aushilfe beim Ausfegen, Scheuern und Fensterputzen in der Kirche.

„Das bringt ein paar Groschen; nur mußt du tüchtig arbeiten“, sagte er.

Nach wiederholten Dankesworten ging Käthe hinaus auf die Straße, konnte aber doch ihren Kummer nicht los werden.

Der Küster machte ihr Hoffnung auf Verdienst. Dieser aber war noch so weitausstehend und nur vorübergehend. Was sollte sie inzwischen anfangen und wohin ihr Haupt niederlegen?

Die Sonne neigte sich zum Untergange.

Die Stadt verschlang in sich den ganzen Rest von Licht und Wärme und hüllte sich in düsteren Schatten.

Die entlaubten Bäume der Gärten und Alleen ragten empor wie Gerippe, die einer Hülle harren.

Gesenkten Hauptes schritt Käthe immer weiter über große Plätze, durch breite Straßen und enge Gäßchen. Ohne nach den Menschen zu sehen, die

Empfohlene Zitierweise:
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 377. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/377&oldid=- (Version vom 1.8.2018)