die nur jemals der beste, der liebenswürdigste Mann fodern konnte; aber Alles ward verschwendet und ohne ein Wunderwerk war es nicht möglich, daß ich erlöset werden, oder daß der Kummer für meinen Unterhalt aufhören konnte. Das Haus des würdigen Hofpredigers war meine einzige Erholung; seine Frau besitzt einen männlichen Geist, ist klug und von großer Entschlossenheit; ihre Beredtsamkeit ebenso einnehmend als ernsthaft, und sie wetteiferte mit ihrer Schwester, meine Freundin zu sein. Die niemals ausgesöhnten Feinde des Königs nöthigten ihn zu dem Feldzuge, den er 6 mal wiederholen mußte; er siegte bei Lowositz; ich sang meinen ersten Siegeston, und mein Freund Döbel gab das Lied unter die Presse. Die östreichische Macht ward auf den böhmischen Gebirgen bei Prag geschlagen; ich sang eine Art von Siegspsalm, und er gefiel! Herr Graf v. Reder, ein Patriot vom ersten Rang, hörte meine Muse mit Vergnügen, und sein Haus ward von diesem Tage an meine Stütze. Aber alle Zuwürfe der gütigsten unter den Menschen waren fruchtlos, ich blieb eine Lastträgerin der Dürftigkeit. Ein unglücklicher Zufall warf den dritten Theil von Glogau in einen Schutthaufen zusammen. Ich brachte mein Weniges unter den Schutz eines Kellers, nahm das kleinste Kind auf meinen Arm, führte das dritte an der Hand, sah die 2 ältesten vor mir her weinen, und so ging ich zwischen den dicken Gewölken von Rauch nach der Vorstadt zu; ganz betäubt von dem Elende der Stadt war meine Seele gewesen. Jetzt erhielt ich die Freiheit zu weinen und bat Gott um Einschränkung der wüthenden Flamme; das Gebet vieler Tausende, die auf den Wiesen lagen, drang zu ihm herauf, die Glut erlosch, und ich konnte die Nacht wieder unter dem Dache zubringen, von welchem mich die Gefahr fliehen hieß. Acht Tage dauerte meine Bestürtzung noch fort; ich konnte die Gedanken nicht sammeln, bis der Consistorialrath Ludovki auf der Brandstätte des Altars unter freiem Himmel eine Rede gehalten hatte; da kam mein Geist wieder zu mir, ich setzte mich und schrieb 2 Gedichte zum Andenken dieser traurigen Begebenheit. Der Buchhändler Hr. Günter ließ beide drucken, und in seinem Gewölbe müssen sie noch zu finden sein. Der Brand hatte betrübte Folgen für Viele! Ich war nicht davon ausgeschlossen, aber ich entwischte zuweilen meinem Kummer auf das Land. Verschiedene Prediger waren gastfrei gegen mich, zu denen flog ich, besonders zu Kriel und Balling; ich kann mich nicht enthalten, sie zu nennen. Sie haben mir Gutes erwiesen und ihnen soll von dem Segen des Himmels ersetzt werden, was sie, gleich so Vielen, in der Unruhe des Krieges verloren haben. Zu diesen gehört vorzüglich noch ein Prediger Tschirner, der schon in ältern Zeiten mein Freund war; seine herzlichen Wünsche, die er tausend Mal für mein Bestes that, diese allein verdienen, daß ihm Gott seinen großen Verlust siebenfältig ersetze, sowie seinem gnädigen Patron, dem Herrn v. Luck, dessen Freundschaft und Edelmüthigkeit gegen mich gerühmt zu werden verdient. Alle vereinigten sich, mich bei der Lust zum Singen nicht muthlos werden zu lassen. Einstmals fand ich in mir einen großen Trieb aufs Land; ich kam zu Predigern, die mir noch unbekannt waren, und der Zufall führte mich an den Ort, wo Friedrich übernachtete; er zog gegen Zorndorf; im Predigerhause logirte der General Wobersnov. Geschwind machte ich ihn mir zum Freunde, sahe des andern Morgens den besten und größten der Könige zu Pferde und hörte um ihn her seine Krieger einen Morgengesang anstimmen. Jetzt kannte ich den Trieb, der mich hinriß, nannte das Lustwandeln von 2 Meilen
Anna Louisa Karsch: Leben der A. L. Karschin, geb. Dürbach. F. A. Brockhaus, Leipzig 1831, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitgnossen_3_3_Karsch.djvu/023&oldid=- (Version vom 1.8.2018)