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Anmerkung. Das mittagsmännchen hat schon einen koboldartigen character, die wendische mittagsfrau aber wirft vollständig die zwergennatur ab und wird zur unglücksgöttin weshalb ich sie zu einer anderen nächstens zu besprechenden gruppe geordnet habe.


DER WERWOLF (VLKOLAK).
Ein slovakisches märchen (noch ungedruckt) fast wörtlich aus einer handschrift übersetzt.

‚Es war einmal ein vater, der hatte neun töchter und alle waren heirathsfähig, aber die jüngste war die schönste. dieser vater war ein werwolf. einst kam es ihm in den sinn, wozu er so viele töchter auf immer zu erhalten hätte? und darum entschloß er sich alle diese neun töchter umzubringen (vy kantriť). einst begab er sich in einen wald (hora) um holz zu fällen und befahl ihnen, daß irgend eine ihm das essen hin bringe. und so geschah es auch und die es brachte war die älteste. der herr gott gebe auch dir, sagte der vater, nun, warum brachtest du meine tochter mir schon jetzt zu essen? wahrlich mein vater, ich wollte dich frühe stärken, damit ihr uns nicht vor hunger gar stürbet. nun du bist wirklich eine brave tochter, setze dich ein wenig, damit ich genieße. diese setzte sich nieder und er fing zu essen an, aber bei dem essen erdachte er eine hinterlist (figle). auf einmal steht er auf und sagt zur tochter: mein mädchen komm doch her, ich will dir zeigen, was ich für eine grube ausgrub. nun und wozu soll euch denn diese grube? sagte die tochter. dazu mein mädchen, daß wenn wir einmal sterben, wir uns darein begraben lassen, denn ein armer mensch gilt nichts in dieser welt, niemand sieht sich nach ihm um, und das erst vollends, wenn er gestorben. die tochter hörte zu und ging bis sie zu einer großen und tiefen grube gelangten. höre, sagt der wärwolf, von hier aus wirst du nirgends mehr hin, du mußt sterben. ich werde dich in diese grube stoßen. das mädchen erschrack, bat um ihr leben, alles vergeblich. der vater erhascht sie und wirft sie in den abgrund. darauf nimmt er einen großen stein (skalu), wirft

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV. Dieterische Buchhandlung, Göttingen 1859, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_deutsche_Mythologie_und_Sittenkunde_-_Band_IV.djvu/228&oldid=- (Version vom 1.8.2018)