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nur: wenn es einmal so ist, so will ich mich auch dem tode hingeben, nur bitte ich euch vater darum, euch wegzukehren, während ich mich auskleide, denn ich schäme mich gar sehr. der vater kehrt sich weg, das mädchen sieht die passende zeit ab und schmick! stößt sie den vater in die grube. zugleich ergreift sie die kleider und läuft fort so viel sie nur vermag. der werwolf aber fiel sich nicht todt und es ward ihm leicht aus der grube hervor zu klettern. nun er ihr nach, wie ein wüthender, und als er ihr nahe gekommen, so brüllte er, daß es in allen thälern und auf allen bergen widerhallte. die tochter aber lief weiter und warf, als er sich ihr näherte, ihm ihr halstuch hin und rief ihm zu: du erjagst mich nicht, gewiß nicht, so lange du dies tuch nicht in stücke reißest, zerfaserst, zusammenspinnst, webst und vom neuen zusammennähest. als sie dies gesagt, lief sie wieder, so viel die füße nur gestatteten, weiter. und der wärwolf zerriß, zerfaserte das tuch, spann die faden zusammen, verwebte sie und nähte das tuch von neuem. zu allem dem brauchte er nicht eine halbe stunde. als er fertig ward, sprang er wieder hinter ihr fort und brüllte (zarncan). er sprang wie ein bär, dem die haare zu berge stehen (ako rozjezený medved) und alles erzitterte unter ihm. da hab’ ich dich, donnert er hinter ihr am ende, und nähert sich ihr flugs. sie aber sagt: du erjagest mich nicht, gewiß nicht, so lange du nicht diesen rock (kamza) zerreißest, zerfaserst, spinnst, webst und nähest. als sie das gesagt, lief sie im galopp davon. und der wärwolf zerriß, zerfaserte, spann, webte und nähte den rock wieder und zwar in einer halben stunde. als er fertig war, sprang er wieder auf, und brüllte wie hundert löwen. so verfolgte und jagte er sie fort, sie aber warf ihm das kleid (rub), dann das achselhemd (oplecko), dann das leibchen (kamizol) und zuletzt das hemd (koselu) hin und lief wieder weiter. der wärwolf verfolgte sie, konnte sie aber so lange nicht erreichen, so lange sie etwas hatte, was sie abwerfen konnte, als sie aber schon so war, wie sie gott erschaffen hatte, mußte sie sich anders helfen. sie hörte ihn schon von ferne schnauben (jachtat)

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Wilhelm Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV. Dieterische Buchhandlung, Göttingen 1859, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_deutsche_Mythologie_und_Sittenkunde_-_Band_IV.djvu/230&oldid=- (Version vom 1.8.2018)