A. So mußtest du aber auch kein Kind seyn: denn da machtest du dich unrein; kein Knabe: denn da bekamst du die Ruthe; kein Jüngling, da war dir auch warm. Mann wirst du nicht seyn wollen; da giebts Haus-Sorgen. Unverheirathet kannst du nicht bleiben; da legt man dir Netze. Alt kannst du nicht werden; da kommen Ungemächlichkeiten.
B. Mich schauderts, so oft es mir in den Sinn kommt, daß nichts unter der Sonne sei, bei dem man Ruhe findet.
A. Bedenke, daß da Alles dir günstig ist, du allein gegen dich wütest und dir hart bist. Wenn du an jedem Dinge etwas auszusetzen hast, siehest du nicht, daß deine unzufriedene Gemüthsart eine viel größere Ungestalt sei, als alle jene Fehler mit einander? Was hast du nöthig, dich um aller Menschen Arbeiten zu ängstigen und zu kümmern, da dir eine einzige gnug seyn kann, die Zeit auszufüllen und (wenn du es nur glauben
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/128&oldid=- (Version vom 1.8.2018)