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Geduld.


Einst kamen die drei Kunstlichter der Welt zusammen. Der erste war der Klagende, dem der ganze Zustand der Menschen Plage und Elend schien. Der zweite war der Unruhige, der allenthalben sich dem Uebel entgegen warf und mit der Natur der Dinge selbst es aufnehmen wollte. Der dritte war der Lachende, dem alle die Singchöre von Nichtigkeit, Posse und Verwirrung ein Vergnügen machten.

Oft pflegten sich diese drei, wie dem Uebel zu steuren sei, zu besprechen; sie konnten aber selten zu einem Schluß kommen: denn ihre Meinungen stießen zu hart gegen einander.

Endlich ließen sie auch den Sokrates und Epiktet zu sich, die ihnen vor allem andern Geduld anriethen. Geduld, sagten sie, ist die beste und einzige Arznei, Uebel dieser Art zu heilen

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/61&oldid=- (Version vom 1.8.2018)