Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Die Vorzeit in ihrer einfältigen Tracht traf auf ihre Enkelin, die Nachwelt, ein freches und leichtsinniges Mädchen.
Sie wunderte sich über ihre üppigen Kleider, über ihre leichtfertigen Gebehrden und fing an zu murmeln. Diese aber, rüstig mit ihrer Zunge, warf der Großmutter Dummheit, Plumpheit vor, und strich dagegen ihrer Denkart, ihrer Beredsamkeit, ihrer Händ’ und Füße, ihres ganzen Körpers Leichtigkeit und Cultur hoch hinaus.
Die Alte konnte nicht einsehen, was denn das Sublime, Besondre und Ausgesuchte sei, das ihr fehle und die Nachwelt besitze. Da brachte diese ein so krummes, verdrehtes, gefärbtes Ding hervor, daß man ihm kaum einen Namen, geschweige Lobsprüche zu geben wußte.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/72&oldid=- (Version vom 1.8.2018)
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/72&oldid=- (Version vom 1.8.2018)