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auch eine gewisse träge Masse besitzt und dem Gesetz des Beharrungsvermögens gehorcht, ändert sich seine Masse merklich mit der Temperatur, ausserdem hängt sie in bestimmter angebbarer Weise von der Grösse der Geschwindigkeit ab sowie von der Richtung, welche die bewegende Kraft mit der Geschwindigkeit bildet. Dabei haben die Eigenschaften eines solchen Körpers gar nichts Hypothetisches an sich, sondern lassen sich quantitativ in allen Einzelheiten aus bekannten Gesetzen ableiten.

Angesichts der geschilderten Sachlage, durch welche einige der bisher gewöhnlich als festeste Stütze für theoretische Betrachtungen aller Art benutzten Anschauungen und Sätze ihres allgemeinen Charakters entkleidet werden, muss es als eine Aufgabe von besonderer Wichtigkeit erscheinen, unter den Sätzen, welche bisher der allgemeinen Dynamik zu Grunde gelegt wurden, diejenigen herauszugreifen und besonders in den Vordergrund zu stellen, welche sich auch den Ergebnissen der neuesten Forschungen gegenüber als absolut genau bewährt haben; denn sie allein werden fernerhin Anspruch erheben dürfen, als Fundamente der Dynamik Verwendung zu finden. Damit soll natürlich nicht gesagt werden, dass die oben als merklich unexact gekennzeichneten Sätze künftig ausser Gebrauch zu setzen wären: denn die enorme praktische Bedeutung, welche die Zerlegung der Energie in eine innere und eine fortschreitende, oder die Annahme der absoluten Unveränderlichkeit der Masse, oder die Voraussetzung der Identität der trägen und der ponderablen Masse in der ungeheuren Mehrzahl aller Fälle besitzt, wird ja durch die hier angestellten Betrachtungen überhaupt gar nicht berührt, und niemals wird man in die Lage kommen, auf die Benutzung jener so wesentlich vereinfachenden Annahmen Verzicht leisten zu können. Aber vom Standpunkt der allgemeinen Theorie aus wird man unbedingt und principiell unterscheiden müssen zwischen solchen Sätzen, die nur als Annäherungen aufzufassen sind, und solchen, welche genaue Gültigkeit beanspruchen, schon deshalb, weil heute noch gar nicht abzusehen ist, zu welchen Consequenzen die Weiterentwicklung der exacten Theorie einmal führen wird: sind ja doch häufig genug weitreichende Umwälzungen, auch in der Praxis, von der Entdeckung fast unmerklich kleiner Ungenauigkeiten in einer bis dahin allgemein für exact gehaltenen Theorie ausgegangen.

Fragen wir daher nach den wirklich exacten Grundlagen der allgemeinen Dynamik, so bleibt von allen bekannten Sätzen zunächst nur übrig das Princip der kleinsten Wirkung, welches, wie H. von Helmholtz[1] nachgewiesen hat, die Mechanik, die Elektrodynamik


  1. H. von Helmholtz, Wissenschaftl. Abhandl. III, S. 203, 1895.
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Max Planck: Zur Dynamik bewegter Systeme. Verlag der Akademie der Wissenschaften, Berlin 1907, Seite 545. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zur_Dynamik_bewegter_Systeme.djvu/4&oldid=- (Version vom 24.1.2022)