Seite:Zur Elektrodynamik bewegter Systeme II.djvu/8

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

die Richtung der Geschwindigkeit sich mit der Zeit ändert, ist ohne wahrnehmbaren Einfluss. Der Beweis soll hier übergangen werden. Wir dürfen also praktisch auch die tägliche Bewegung als reine Translation betrachten, die sich der Bewegung in der jährlichen Bahn an jeder Stelle der Erdoberfläche in jedem Moment überlagert.

§ 4. Relative Bewegungen.

Wir betrachten jetzt den allgemeinern Fall relativer Bewegungen, setzen aber voraus, dass das Product aus gemeinsamer Translationsgeschwindigkeit und relativer Geschwindigkeit gegenüber dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit eine verschwindende Grösse sei. Diese Bedingung, welche in (9) formulirt ist, hat uns zu den Gleichungen I′a bis IVa geführt. Dieselben stimmen in der Form überein mit I′ bis IV. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass an Stelle des „absolut ruhenden“ räumlichen Bezugssystems das „relativ ruhende“ und an Stelle der „allgemeinen Zeit“ die „Ortszeit“ getreten ist. Das heisst also, auf die Erde angewandt: soweit wir das Product aus der von uns angenommenen Erdgeschwindigkeit und der thatsächlich gegebenen relativen Geschwindigkeit gegen die Erde vernachlässigen dürfen gegenüber dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit, ist es gleichgültig, ob wir unsere Gleichungen auf ein gegen die Erde ruhendes Coordinatensystem und die „irdische Zeit“ beziehen, – oder auf ein beliebiges anderes Coordinatensystem, welches gegen die Erde die gleichförmige Geschwindigkeit besitzt und eine durch (6) definirte Zeit .

Was hier als Bedingung ausgesprochen wurde, gilt nun thatsächlich für alle Beobachtungen, wenn wir unter die Geschwindigkeit der Erde gegen die Fixsterne (etwa ) verstehen.

Wir können zwei Anwendungsgebiete unterscheiden:

1. Astrophysik. Hier ist entweder (Fixsterne) oder doch höchstens von der Grössenordnung von . Die vernachlässigten Grössen sind daher höchstens von der Ordnung , während die Messung des Aberrationswinkels und der verhältnissmässigen Änderung der Wellenlängen diese Genauigkeit nicht annähernd erreicht.

2. Bewegungen ausgedehnter Körper an der Erdoberfläche. Hier bleibt sehr klein gegen , und für jede Beobachtung verschwindend.

Alles also, was in § 3 für relativ ruhende Systeme streng abgeleitet ist, gilt mit praktisch ausreichender Genauigkeit auch für relativ bewegte Systeme.

Zusammengefasst: die bisher bekannten Thatsachen der Elektrodynamik lassen uns die Wahl, zur Darstellung eine ruhende Erde und

Empfohlene Zitierweise:
Emil Cohn: Zur Elektrodynamik bewegter Systeme II. Verlag der Akademie (Georg Reimer), Berlin 1904, Seite 1411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zur_Elektrodynamik_bewegter_Systeme_II.djvu/8&oldid=- (Version vom 20.10.2019)