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mit Schimmeck gesprochen hatte! – Und nun ließ der Graf diesen Detektiv kurzer Hand einsperren, sogar gleich nach dem Amtsgerichtsgefängnis bringen! Wie war das nun wieder zu bewerten? – Harst grübelte über diese Frage gerade nach, als der Gendarm plötzlich sagte: „He, Sie – was haben Sie eigentlich ausgefressen, daß unser Graf mit Ihnen so streng umsprang?“

Harst meinte: „Ich hab ’n reines Gewissen. Man wird mich wieder laufen lassen müssen.“ – „Na – darauf verspitzen Sie sich man ja nicht! Wenn der Graf erst auf jemand ein Auge geworfen hat, dann –“ Er brummelte den Rest in seinen Bart. –

Schraut war froh, daß man ihn ganz unbehelligt ließ. Der Wirt fragte ihn natürlich, was der andere denn auf dem Kerbholz hätte. – „Woher soll ich’s wissen?! Ich bin dem Leierkasten-Kollegen erst auf der Chaussee jenseits Malchin begegnet,“ erklärte der Komiker gleichgültig. „Jedenfalls bin ich ein ehrlicher Kerl. Hier sind meine Papiere, Herr Wirt. – Kann ich wohl bei Ihnen ein paar Tage bleiben. Ich bin mit einem Heulager zufrieden. Und ich helfe auch gern ’n bißchen mit.“ – „Wollen sehen –“

Abends kamen ein paar Bauern zum Skat in die Dorfschenke. Schraut erzählte ihnen gepfefferte Witze und machte Kartenkunststücke. Es ging sehr vergnügt her, und der Wirt merkte, daß Max Schraut ein nutzbringender Gast war. So kam’s denn, daß Harsts Privatsekretär diese Nacht in einem Stübchen neben dem Schankraum in einem sauberen, weichen Bett schlief, während sein Herr mit den Flöhen des Gerichtsgefängnisses zu derselben Zeit einen ebenso erbitterten wie aussichtslosen Kampf ausfocht. – Am Morgen durfte Max Schüler, der Geigenkünstler, den Schweinestall ausmisten. Dann aber zog er es vor, sich zu drücken und zu Schimmeck zu gehen. Dieser arbeitete auf seinem Hof an einem Pfluge. Er war ein älterer, ernster Mann mit der ruhigen Art der alteingesessenen, wohlhabenden Bauern. Sein Gesicht verriet jene Schlauheit, die selbst höhere Bildung entbehrlich macht. Als Schraut ihn nach einigen einleitenden Sätzen fragte, ob

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/66&oldid=- (Version vom 1.8.2018)