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Seltene Kraftleistungen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: B. G.
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Titel: Seltene Kraftleistungen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 595
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
vgl. Die besten Leistungen im Schwimmen, Heft 41
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[595] Seltene Kraftleistungen. Die deutschen Turner haben seit jeher ihr Bestreben mit vollem Recht darauf gerichtet, durch die Turnkunst eine gleichmäßige Pflege aller Kräfte und die harmonische Entwickelung des ganzen Körpers zu erlangen. Specialkunststücke sind bei uns nicht Mode. Dafür schwärmen Engländer und Amerikaner, bei denen neben anderem Sport auch die Athletik in Blüthe steht. Recht interessante Einblicke in die Leistungen der Sportsmänner dieser Art gewährt uns das soeben erschienene Buch des bekannten Wiener Schriftstellers Viktor Silberer: „Der Athletik-Sport“. Silberer hat in demselben die besten, durch unverdächtige Zeugen beglaubigten Leistungen der Welt auf allen einzelnen Gebieten dieses Sportes zusammengestellt, und man muß sagen, daß diese zuweilen geradezu verblüffend wirken.

Im Springen gebührt nach dieser Zusammenstellung die Palme P. Davin, der am 5. Juli 1880 189¾ Centimeter hoch sprang, natürlich ohne Sprungbrett, da bei dem sportlichen Sprung kein Sprungbrett gestattet ist. Den besten Hochsprung der Welt aus dem Stande, ohne Anlauf, leistete der Amerikaner E. A. Johnson am 20. Mai 1878, indem er 160 Centimeter rein sprang. Im Weitsprung steht der bereits genannte P. Davin mit 7,06 Meter ebenfalls unerreicht da; aus dem Stande sprang E. W. Johnson 3,377 Meter weit.

Im Schnelllauf über kurze Distanzen steht der Amerikaner G. Seward als unerreichtes Phänomen da. Er durchlief am 30. September 1844 die Strecke von 100 englischen Ellen 91,4 Meter in 9 1/4 Sekunden. Das war vor mehr als 40 Jahren, und seither haben sich alle passionirten Läufer vergeblich bemüht, ihn zu übertreffen; sie haben ihn nicht einmal erreicht. Es giebt in Amerika fünf namentlich bekannte Läufer, welche dieselbe Strecke in 10 Sekunden zurücklegen können, in England keinen einzigen! Der Läufer, die das in 10 1/5 Sekunden fertig bringen, giebt es sehr viele.

Auch im Gehen leisten die Anhänger des Athletik-Sportes Außerordentliches. W. Perkins ging acht Meilen (engl.) in der Stunde und J. Meagher dieselbe Strecke sogar in 58 Minuten 37 Sekunden. W. Perkins hat noch eine andere sensationelle Leistung aufzuweisen, er ging 22 Meilen in drei Stunden; gelaufen wurde dieselbe Strecke in 2 Stunden, 12 Minuten und 48 Sekunden von A. Dunning. Nun haben wir noch einige Geh-Leistungen zu registriren, die allerdings erstaunlich sind, aber gleichzeitig den Eindruck machen, als sei der, der sie unternimmt, nicht recht bei Troste. Kapitän Barclay machte einen Marsch von 1000 (engl.) Meilen in 1000 auf einander folgenden Stunden, und zwar in der Weise, daß er in jeder Stunde eine Meile ging und den ersparten Rest an Zeit jedesmal zu Schlaf und Erholung benützte. In derselben Zeit und unter denselben Modalitäten legte Gale 1500 Meilen, also 1½ Meile in jeder Stunde zurück. Das Tollste leistete aber derselbe Gale im Frühling des Jahres 1878. Er ging 4000 Viertelmeilen in viertausend auf einander folgenden Zeitabschnitten von je 10 Minuten. Er hat also in nahezu 28 Tagen immer nur ratenweise und immer nur wenige Minuten ruhen und schlafen können! Selbst Silberer, der sonst für den Athletik-Sport mit Eifer einzutreten sucht, nennt solche Leistungen sportliche Verirrungen. Die großartigsten Leistungen bei den sogenannten Sechs-Tage-Rennen haben George Hazael mit 600 und der Ex-Alderman Patrik Fitzgerald mit 610 Meilen in sechs Tagen zu verzeichnen. Es gehört ein eigener Geschmack zu solchen Wettkämpfen, denn sie haben eine jahrelange anstrengende Trainirung zur Voraussetzung. Ueberhaupt spielt bei diesen sportlichen Uebungen die Trainirung eine äußerst wichtige Rolle, und auch nur der Gedanke, daß Einer ohne vorhergehendes Training im Athletik-Sport erfolgreich mitthun könnte, wäre schon absurd.

Ziehklimmen aus gestrecktem Hang so hoch, daß das Kinn über die Hände hinaufragte, machte F. S. Clark in Boston am 9. December 1876 29 Mal. Das wird vielleicht mancher deutsche Turner auch können; dann sollte er aber dem Amerikaner die „Meisterschaft der Welt“ streitig machen. Schwieriger scheint uns schon die Leistung, die A. Cutter in Louisville am 18. September 1878 vollführte: Ziehklimmen mit einer Hand 12 Mal, und schier unbegreiflich eine zweite Leistung desselben Turners, die er an demselben Tage zum Besten gab: Ziehklimmen aus dem Hang am kleinen Finger einer Hand 6 Mal!

Wie weit es die menschliche Kraft zu bringen vermag, zeigt sich am deutlichsten im Gewichtheben und Hantelstemnmen. In Wien giebt es mehrere Amateurs, die fünf Centner mit einem Finger heben. Einer dieser, Herr Stühr, stemmt, das heißt hebt hoch von der Schulter aufwärts, bis der Arm vollständig gestreckt ist, eine Hantel im Gewicht von 90 Kilo. W. B. Curtis in New-York hat am 20. December 1868 eine wahre Riesenarbeit im Heben geleistet; er hob „im Geschirr“, mit Gurten, welche die Last auf den ganzen Körper vertheilten, 1469,18 Kilo. G. Robinson in San-Francisco stemmte 100 englische Pfund = 45,36 Kilo zwanzig Mal.

Wir können hier abbrechen. Die angeführten Beispiele dürften genügen, um darzuthun, wie weit durch Energie und ausdauernde Uebung menschliche Kraft entwickelt werden kann. Die Lorbeern auf diesem Gebiete werden wohl im Großen und Ganzen auch fernerhin Engländer und Amerikaner einheimsen, denn der Athletik-Sport wird die hoch entwickelte rationelle Turnkunst in Deutschland schwerlich verdrängen können. B. G.