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Sicilianisches Gefährt

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Dr. J. S.
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Titel: Sicilianisches Gefährt
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 197, 228
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[197]

Sicilianisches Gefährt.
Nach einer photographischen Aufnahme.

[228] Sicilianisches Gefährt. (Zu dem Bilde S. 197.) In dem eigenartig bemalten Karren unseres Bildes bringen wir eine Eigentümlichkeit Siciliens, die man sonst nirgends findet. Es handelt sich nicht etwa um ein ausnahmsweise ausgeschmücktes Gefährt, sondern die zweirädrigen Lastkarren sind in Sicilien sämtlich derartig mit bunten Malereien verziert.

Der einachsige Karren ist eigentlich das einzige Beförderungsmittel in den meisten Gegenden Siciliens, die nicht von der Bahn berührt werden oder wegen starken Fremdenverkehrs auch außerhalb der großen Städte einen oder den andern vierrädrigen Mietswagen besitzen. Der bunte Karren dient aber nur als Lastwagen, Personen reisen auf dem Esel oder Maultier reitend. So arm die Bevölkerung Siciliens in vielen Gegenden der Insel auch ist, auf die Ausschmückung ihrer Fahrzeuge und Lasttiere hält sie viel.

Die Bauart der Karren ist auf der ganzen Insel fast die gleiche. Auf der Achse zwischen den beiden Rädern sitzt vermittels eines ziemlich hohen, oft reich geschnitzten Aufbaues ein rechteckiger Kasten, dessen Seitenwände aus abnehmbaren bemalten Brettern bestehen. Häufig ist auch das Brett an der Rückwand des Karrens in gleicher Weise geschmückt.

Das Merkwürdige an den sicilianischen Karren ist, daß diese Bemalung nicht etwa eine gewöhnliche dekorative in Gestalt von Blumen, Arabesken etc. ist, sondern Darstellungen ganzer Scenen, namentlich aus der biblischen Geschichte, bietet. Fast ausnahmslos zeigt jeder Karren vier Bilder an den Seitenwänden, deren jede in zwei Hälften geteilt ist. Die vier Darstellungen behandeln dann meist denselben Gegenstand. So zeigt der Karren unseres Bildes – wie durch Unterschrift bemerkt – die Geschichte der Esther. Uebrigens finden sich mitunter auch profane Darstellungen, Ritterschlachten etc. In künstlerischer Beziehung stehen die Darstellungen natürlich auf keiner hohen Stufe. Auch bleicht die sicilianische Sonne und Sciroccostaub die Farben bald, mit denen bei der Anfertigung der Bilder nicht gespart wird und deren Zusammenstellung häufig nicht sehr harmonisch ist.

Die Bemalungen zeigen übrigens niemals moderne Sujets. Die Darstellungen aus der biblischen Geschichte sind dadurch ausgezeichnet, daß die Personen auf ihnen stets in orientalischer oder arabischer Tracht erscheinen. Wie in so vielen Dingen in Sicilien, selbst in manchen Dialekten der Insel, haben wir hier auch wohl eine Reminiscenz an die ehemalige arabische Herrschaft. Außer den Hauptbildern zeigen die sicilianischen Karren noch eine ganze Menge von ornamentalen Verzierungen, die sich bei reich geschmückten Karren selbst bis auf die Deichsel und die Speichen der Räder erstrecken. Der Radkranz ist stets bemalt oder geschnitzt. Unser Bild zeigt einen etwas einfacheren Karren, bei dem Deichsel und Radspeichen glatt sind.

Große Sorgfalt wird ebenfalls auf die Ausschmückung der Lasttiere verwandt. Das weiße Maultier vor dem Karren unseres Bildes hat Sonntagsstaat angelegt, und die hohen Aufbauten von roter Wolle und Hahnenfedern werden wochentags heruntergenommen. Dem Lasttier ist der Wochentag sicher lieber, denn der Feiertagsputz ist nicht gerade bequem, der Lenker, ein echter sicilianischer „Ragazzo“, aber ist desto stolzer auf seinen Mulo.Dr. J. S.