Zum Inhalt springen

Sonnenuntergang

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Abenddämmerung Buch der Lieder (1827) Die Nacht am Strande »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern) am linken Seitenrand.
Textdaten
Autor: Heinrich Heine
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Sonnenuntergang
Untertitel:
aus: Buch der Lieder, Die Nordsee, Erster Cyklus, S. 313–315
Herausgeber:
Auflage: 1
Entstehungsdatum: 1825–1826
Erscheinungsdatum: 1827
Verlag: Hoffmann und Campe
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Hamburg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans der Ausgabe 1827 auf den Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

[313]

III.

Sonnenuntergang.

     Die glühend rothe Sonne steigt
Hinab in’s weitaufschauernde,
Silbergraue Weltmeer;
Luftgebilde, rosig angehaucht,

5
Wallen ihr nach, und gegenüber,

Aus herbstlich dämmernden Wolkenschleiern,
Ein traurig todtblasses Antlitz,
Bricht hervor der Mond,
Und hinter ihm, Lichtfünkchen,

10
Nebelweit, schimmern die Sterne.


     Einst am Himmel glänzten,
Ehlich vereint,
Luna, die Göttin, und Sol, der Gott,
Und es wimmelten um sie her die Sterne,

15
Die kleinen, unschuldigen Kinder.


     [314] Doch böse Zungen zischelten Zwiespalt,
Und es trennte sich feindlich
Das hohe, leuchtende Eh’paar.

     Jetzt am Tage, in einsamer Pracht,

20
Ergeht sich dort oben der Sonnengott,

Ob seiner Herrlichkeit
Angebetet und vielbesungen
Von stolzen, glückgehärteten Menschen.
Aber des Nachts

25
Am Himmel wandelt Luna,

Die arme Mutter
Mit ihren verwaisten Sternenkindern,
Und sie glänzt in stummer Wehmuth,
Und liebende Mädchen und sanfte Dichter

30
Weihen ihr Thränen und Lieder.


     Die weiche Luna! Weiblich gesinnt
Liebt sie noch immer den schönen Gemahl.
Gegen Abend, zitternd und bleich,
Lauscht sie hervor aus leichtem Gewölk,

35
Und schaut nach dem Scheidenden, schmerzlich,

Und möchte ihm ängstlich rufen: „Komm!
Komm! die Kinder verlangen nach Dir –“
Aber der trotzige Sonnengott,
[315] Bei dem Anblick der Gattin erglüht’ er

40
In doppeltem Purpur,

Vor Zorn und Schmerz,
Und unerbittlich eilt er hinab
In sein fluthenkaltes Wittwerbett.

     *     *     *     

     Böse, zischelnde Zungen

45
Brachten also Schmerz und Verderben

Selbst über ewige Götter.
Und die armen Götter, oben am Himmel
Wandeln sie, qualvoll,
Trostlos unendliche Bahnen,

50
Und können nicht sterben,

Und schleppen mit sich
Ihr strahlendes Elend.

     Ich aber, der Mensch,
Der niedriggepflanzte, der Tod-beglückte,

55
Ich klage nicht länger.