Sprechendes Wachs und lebendes Papier

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Autor: Dr. M. Wilhelm Meyer
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Titel: Sprechendes Wachs und lebendes Papier
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 624, 626–627
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Sprechendes Wachs und lebendes Papier.

Edisons neueste Erfindungen.
Von Dr. M. Wilhelm Meyer.

Als ich im vorigen Winter nach New-York berufen wurde, um die beiden ersten unserer dekorativ ausgestatteten Vorträge der „Urania“ in der dortigen sogenannten „Music-Hall“ einrichten zu helfen, erachtete ich es zunächst nur als eine Pflicht der Form gegenüber Edison, welcher eines der drei einzigen Ehrenmitglieder der „Urania“ ist, ihm meine Ankunft auf amerikanischem Boden anzuzeigen und meine Bereitwilligkeit mitzutheilen, ihm den unserer Anstalt seiner Zeit gemachten Besuch zu erwidern.

Ich glaubte kaum, daß ich in Wirklichkeit Gelegenheit haben würde, den berühmten Erfinder in seinem Laboratorium in Orange begrüßen zu können, da es bekannt ist, wie sehr derselbe geschäftlich in Anspruch genommen ist und Besuche scheut, die in den meisten Fällen nur einer Befriedigung der Neugierde dienen sollen.

In der That liefen, obgleich Edison sofort bereitwillig darauf einging, mich in seinem Laboratorium zu empfangen, nicht weniger als sechs Wochen lang fast täglich Briefe, Telegramme oder telephonische Mittheilungen zwischen Orange und New-York hin und her, ehe der rechte Augenblick zu der Zusammenkunft gefunden war.

Ich hoffe, daß es die Leser der „Gartenlaube“ wohl interessieren wird, wenn ich einiges von den Eindrücken erzähle, welche ich von dem volksthümlichsten Erfinder der Gegenwart empfing, und ganz besonders auch wird es erwünscht sein, etwas Bestimmteres über die neueste Erfindung Edisons, den sogenannten „Kinetographen“, zu hören, über welchen vor einiger Zeit sehr dürftige, meistens entstellte und deshalb mit Recht vielfach verdächtigte Mittheilungen durch die Zeitungen gingen.

Das Wort „Kinetograph“ bedeutet einen die Bewegungen darstellenden Apparat, und seine Aufgabe ist es, nachdem der „Phonograph“ die Sprache und die musikalischen Töne lebendig wiedergegeben hat, nun auch die Bewegungen des Lebens, die sprechende, singende, musizierende Person zugleich dem Auge in allen ihren Bewegungen naturgetreu vorzuführen. Man erlaube mir jedoch, ehe ich im besonderen hierauf eingehe, von dem Erfinder selbst etwas zu erzählen.

Schon als er uns im September 1889 in der „Urania“ besuchte, machte sein ungemein bescheidenes, stilles, einfaches Wesen einen durchaus anderen Eindruck, als man ihn sich wohl aus manchen ungeheuerlichen Reklamen zu bilden geneigt ist, die den Namen Edisons unaufhörlich durch alle Welt posaunen. Es ist nämlich im Publikum wenig oder gar nicht bekannt, daß Edison mit den Hunderten von industriellen Gesellschaften, welche, in der ganzen Welt verbreitet, seinen Namen tragen, persönlich, geschäftlich fast nie irgend etwas zu thun gehabt hat. Edison ist von Finanzkorporationen, in deren Leitung der bekannte Eisenbahnkönig Villard in den letzten Jahren eine hervorragende Rolle spielte, geschäftlich vertreten, das heißt, er verkauft an diese Gesellschaften seine Erfindungen mit der Verpflichtung, alle Verbesserungen und Neuerungen denselben zuerst anzubieten, welche sie eventuell geschäftlich ausbeuten; dafür zahlen sie ihm außer einem bestimmten festen Satze Prozente an Aktien und Bonds. Auf das geschäftliche Verfahren dieser Gesellschaften hat Edison durchaus keinen größeren Einfluß als irgend ein anderer Aktionär. In mehreren Gesellschaften war er ab und zu Vicepräsident oder Direktor (honoris causa). Er hat niemals zu irgend welchen ungeheuerlichen Reklamen die Hand geboten, würde sie aber auch andererseits niemals verhindern können, da die Herren Zeitungsberichterstatter in Amerika Edisons Name gern dazu benutzen, um auf dem Gebiet der Erfindungen aus einer Fliege einen Elefanten zu machen. Edison selbst erfährt es kaum, was über ihn veröffentlicht wird, und wundert sich darüber, wenn man über seine Pläne und Entdeckungen besser als er selbst Bescheid weiß. Eine ergötzliche Geschichte, die sich während seines Besuches in der „Urania“ abspielte, mag dies näher erläutern.

Der Phonograph war aus Tausenden von Zeitungsartikeln bereits weltbekannt, während sich nur wenige Exemplare davon in Europa befanden, da die Edisonkompagnie dieselben noch nicht verkaufte. Oeffentlich waren die Wunderleistungen des zauberhaften Instrumentes damals nur auf der Pariser Ausstellung zu vernehmen und erregten dort begreiflicherweise das allgemeinste Staunen.

In der That giebt es wohl kein anderes von der Hand des Menschen gefertigtes Werk, welches so unmittelbar auf Gemüth und Seele wirkt wie eben der Phonograph. In unserer Sprache, in unserem Gesang liegt ja unsere ganze Seele, und nirgends kommen unsere inneren Bewegungen reiner, unmittelbarer zum Ausdruck als in der Musik, die der neue Phonograph in allen Klangfarben so wunderbar getreu wiedergiebt. Nicht selten habe ich deshalb am Phonographen, wenn ich beispielsweise Gelegenheit hatte, die Stimme fern weilender Angehöriger mit ihrer ganzen unmittelbaren Lebendigkeit wirken zu lassen, Männer mit ihrer Rührung kämpfen sehen, und nun gar Frauenthränen benetzen den Phonographen alltäglich. Es ist etwas Entzückendes und zugleich unheimlich Menschliches in dem Phonographen. Man muß sich zurückhalten, um nicht auf Fragen, die einem von bekannter Stimme aus ihm entgegentönen, sofort zu antworten. Und als ich im letzten Winter eine von mir besprochene phonographische Walze als Brief für meine Frau und meinen fünfjährigen Knaben nach Europa herüberschickte – einen Brief für einen Knaben, der nicht lesen kann, aber ihn doch besser als der Erwachsene alles Geschriebene verstand – da suchte derselbe überall im Zimmer herum und wollte es sich durchaus nicht nehmen lassen, zu glauben, daß der Papa zurückgekehrt sei und sich im Zimmer versteckt habe.

Man entschuldige diese kleine persönliche Abschweifung; ich komme auf den Besuch Edisons in der „Urania“ zurück. In Paris hatte ich wohl die ersten Exemplare des neuen Phonographen kennengelernt, es war aber unter keinen Umständen möglich gewesen, eines davon zu erwerben. Als nun Werner von Siemens, dessen Gast Edison in Berlin war, den Besuch des letzteren uns ankündigte, ließ ich in unserer physikalischen Sammlung recht sichtbar ein damals noch bei uns befindliches Exemplar des alten Phonographen aufstellen, bei welchem bekanntlich die Schwingungen der tonempfindlichen Membran ihre Eindrücke auf Staniol zurücklassen. Dieses Instrument arbeitete noch sehr undeutlich und musikalisch höchst unschön, nur die unverwüstlichen Trompetenklänge, welche hineingeblasen wurden, kamen mit einiger Naturtreue wieder zurück. Die menschliche Sprache war näselnd und unverständlich und machte einen komischen, wenn nicht peinlichen Eindruck.

Als Edison unseren Physiksaal durchwanderte, fiel denn auch sein Auge sehr bald auf dieses veraltete Instrument. Ein halb wehmüthiges, halb verschämtes Lächeln umspielte dabei seine Lippen.

Ich erlaubte mir, ihn ganz naiv zu fragen, ob er das Instrument wohl kenne. Er erwiderte recht kleinlaut, daß er nicht leugnen könne, es selbst konstruiert zu haben.

„Aber,“ setzte er sehr erfreut hinzu, indem er meinte, etwas ganz Neues mitzutheilen, „ich habe jetzt einen besseren Phonographen gemacht,“ und begann nun ganz ausführlich dessen Vorzüge zu erklären, daß nämlich bei dem neuen Phonographen das Staniolblatt durch eine Walze aus einer besonders zubereiteten, ziemlich harten Wachsmasse ersetzt sei, und daß die Eindrücke auf diese nicht mit einem spitzen Stifte, sondern mit einem fast mikroskopisch kleinen, äußerst scharfen, runden Messer eingegraben würden, und daß endlich die Walze statt durch die stets unsichere Hand durch einen eigens dazu hergestellten, sich selbst regulierenden Elektromotor gedreht würde.

Ich unterbrach ihn in diesen Erklärungen mit der seufzend hervorgebrachten Versicherung, das neue Instrument von Paris her wohl zu kennen. Leider hätte ich aber keinen Weg finden können, ein Exemplar desselben für unsere Gesellschaft käuflich zu erwerben.

Diese Erklärung hatte einen unvermutheten Erfolg. Wir hatten ja selbstverständlich nichts anderes erwartet, als daß Edison unsere Bestellung auf einen Phonographen neuester Konstruktion begünstigen werde. Das geschah nicht; dagegen erhielten wir etwa einen Monat später zwei Exemplare als persönliches Geschenk von ihm. Diese selben Exemplare sind noch heute in unausgesetzter Thätigkeit und haben bereits Hunderttausende in unserer Anstalt erfreut.

In New-York erfuhr ich inzwischen, daß der Phonograph [626] demnächst zu einem verhältnißmäßig sehr billigen Preise in den Handel kommen solle, wenn ich nicht irre, für 200 Mark. Sollte sich dies bewahrheiten, so würde der Phonograph zweifellos sehr bald überall hin den Weg finden.

Neben dem bisherigen sehr hohen Preise war allerdings auch die Empfindlichkeit des Instrumentes ein Hemmniß für dessen allgemeinere Verbreitung. Es wird auch voraussichtlich späterhin für die Aufnahme von Stimmen, Deklamationen, Musikaufführungen etc. ein besonders darauf eingeübter Techniker nöthig bleiben, und es wäre besser, wenn dies von den leitenden Geschäftskreisen unumwunden zugestanden würde. Es wird sich dann ein Verhältniß herausbilden wie das des Photographen zum Photographien sammelnden Publikum. Photographien kann eben auch in unserer Zeit der Liebhaberphotographen noch nicht jedermann, aber jeder schafft sich in Photographien eine Familiengalerie, eine Sammlung der schönsten Orte, welche er besucht hat oder an welche sich angenehme Erinnerungen für ihn knüpfen. So kann es auch späterhin mit den phonographischen Aufnahmen werden. Man wird sich neben den Bildnissen seiner Angehörigen ihre Stimmen aufbewahren, und wie man die körperliche Entwicklung seines Kindes durch die Jahre in den aufbewahrten Photographien verfolgt, so kann man auch die Stufenleiter der Entwicklung seiner sprachlichen und der damit unzertrennlich verbundenen geistigen Fähigkeiten festlegen. Und ebenso treu bewahrt das phonographische Archiv die Stimmen unserer verstorbenen Lieben. Auch mag man neben den Photographien von Künstlern, die uns einmal durch ihren deklamatorischen oder musikalischen Vortrag entzückten, die schönsten Stellen dieser Vorträge zu jederzeitiger Wiederholung bereit haben. Da nämlich Edison ein Verfahren erfunden hat, phonographische Originalwalzen beliebig zu vervielfältigen, so wird man Vorträge der berühmtesten Künstler wie beispielsweise der Patti, welche sich jede Note mit Gold aufwiegen läßt, für einen sehr geringen Preis käuflich erlangen können.

Ich stellte vorhin die phonographische Walze mit der Photographie in Parallele. Aber der Vergleich hinkt wie jeder. Die Photographie ist und bleibt etwas Totes, Starres und trotz ihrer Naturwahrheit dennoch stets Befremdendes. Der Phonograph aber ist voller Lebenswahrheit, es ist etwas wie eine Seele in ihm, es kommt eben ein lebendiger Hauch aus ihm hervor, Schwingungen, die unser Herz wiederbewegen.

Wenn man auch der Photographie dieses Leben einhauchen könnte! Dieser Gedanke war es, den Edison bei seiner neuesten Erfindung verfolgte.

Sein Kinetograph stellt die handelnden, singenden, sprechenden, musizierenden Personen in allen ihren Bewegungen mit vollkommener Naturtreue dar, und auch dieser Apparat kann zu beliebiger Zeit in Thätigkeit gesetzt werden, man kann zu jeder Zeit die Gestalt einer lieben Person sich lebend, sprechend wieder vor die Seele zaubern.

Die Erfindung ist nicht unbedingt neu. Die erste Annäherung daran finden wir in einem schon seit sehr langer Zeit bekannten Kinderspielzeug, dem sogenannten „Stroboskop“. Die einzelnen Phasen der Bewegung werden darin nebeneinander gestellt und durch einen in schneller Drehung vorüberziehenden schmalen Spalt nacheinander uns vor Augen gebracht. Die Bilder legen sich dann im Auge übereinander und bringen den Eindruck eines einzigen sich bewegenden Bildes hervor.

Seit die Photographie imstande ist, Augenblicksaufnahmen zu machen, ist das immerhin überraschende Instrument wesentlich vervollkommnet worden. Man sieht darin heute Pferde über Hindernisse springen oder andere Thiere in verschiedenen Gangarten an uns vorüberziehen, auch wohl ein Paar im Tanze sich umeinander drehen, oder andere periodisch wiederkehrende Bewegungen.

Der amerikanische Momentphotograph Muybridge hat ferner eine Vorrichtung erfunden, durch welche diese Bewegungen lebensgroß auf eine weiße Wand geworfen werden können. Er ließ vor einem Jahre in der „Urania“ Pferde an der Leinwand vorüber galoppieren; aber es waren immer nur die Silhouetten derselben.

Weiter brachte es in dieser Beziehung unser vortrefflicher Momentphotograph Ottomar Anschütz in seinem „Schnellseher“. Die Bilder erscheinen in demselben sehr klar in allen ihren Einzelzügen, aber auch er konnte nicht über eine ganz einfache, periodisch wiederkehrende Bewegung hinausgehen. Alle diese Bilder werden durch eine Batterie von gewöhnlich 12–24 photographischen Apparaten hergestellt, von denen jeder einen Bruchtheil einer Sekunde später als der vorhergehende eine Augenblicksaufnahme des betreffenden bewegten Gegenstandes macht. Die Glasplatten werden nun in dem Schnellseher in derselben Schnelligkeit nacheinander vor unseren Augen vorbeigeführt und dabei jede nur einen Augenblick lang durch das Aufblitzen einer sogenannten „Geißlerschen Röhre“ beleuchtet. Leider ist das Licht der letzteren nicht sehr stark, kann aber wegen der Besonderheit des Anschützschen Apparates durch eine andere Lichtquelle nicht ersetzt werden.

Kurz und gut, es traten von allen Seiten Schwierigkeiten auf, die Bewegungen von Menschen und Thieren in ihrer Lebenswahrheit getreu wiederzugeben. Die Versuchsapparate, welche bis jetzt hergestellt wurden, können deswegen etwa mit jenem ersten unvollkommenen Phonographen verglichen werden, welcher nur eine sehr getrübte Wiedergabe der Stimme oder der musikalischen Laute gestattete.

Edison hat nun in seinem Kinetographen auch zu jenem Zwecke den vollkommeneren Apparat gefunden. Er brach zu diesem Ende zunächst mit dem Prinzip der kreisenden Scheiben oder Trommeln und erzeugte auf einem unausgesetzt in nur einem einzigen photographischen Apparat mit großer Geschwindigkeit vorüberziehenden lichtempfindlichen Streifen nacheinander in jeder Sekunde etwa 40 Bilder des sich bewegenden Körpers; und zwar vermag er dieses Verfahren solange fortzusetzen als es beliebt wird. Die Wiedervereinigung der Bilder zu einer „lebenden“ Photographie geschieht in einem kleinen Apparat, der nicht mehr Raum einnimmt als eine der verschiedenen automatischen Verkaufsstellen, die man überall antrifft, und Edison gedenkt in der That, diese Apparate als Automaten in den Handel zu bringen, wie es Anschütz mit seinem „Schnellseher“ bereits gethan hat. Der Streifen zieht in dem Edisonschen Apparat mit der ursprünglichen Geschwindigkeit, welche bei der Aufnahme erforderlich war, vor einer dauernd brennenden Glühlampe vorüber.

Edison zeigte mir in dem einzigen derartigen Apparat, welcher bis dahin bestand, folgende Handlung: drei Schmiedegesellen bearbeiteten mit schweren Hämmern eine Eisenstange auf dem Ambos, welche der eine von ihnen gelegentlich umwendete oder aufhob. Nachdem das Eisen einen gewissen Bruchtheil einer Minute lang bearbeitet war, stellten die Arbeiter ihre Hämmer zur Erde, machten einige Schritte bis zu einem nahen Tische, auf welchem drei Gläser Bier standen; sie tranken dieses Bier aus, wischten sich den Mund, nahmen ihre Hämmer wieder zur Hand und arbeiteten weiter.

Diese ganze Handlung verfolgte man mit der größten Schärfe und Naturtreue in den transparenten Photographien, welche in wunderbarer Weise eben wirklich zu leben schienen. Alle Bewegungen der Kleider oder irgend andere Einzelheiten, die man in der Wirklichkeit an dieser Gruppe aus einer Entfernung von vielleicht 5 Metern hätte beobachten können, sah man auch hier.

Edison hat bereits eine beträchtliche Anzahl ähnlicher Bilderreihen aufgenommen. Jedoch scheint die Umwechslung einige Schwierigkeiten zu bereiten, weshalb er mir nur diese eine zeigen konnte.

Als ich ihm meine Verwunderung über die Einfachheit des Apparates aussprach, lächelte er und sagte, daß der Aufnahmeapparat, welchen er mir leider nicht zeigen könne, allerdings durchaus nicht einfach sei, und daß die mit ihm bewirkte Aufnahme einer Handlung, welche eine Dauer von fünf Minuten habe, vorläufig noch so etwas wie 20000 Mark Auslagen verursache. Alles das werde aber einmal später viel billiger herzustellen sein.

An sich liegen also heute keinerlei Schwierigkeiten mehr vor, jene Zukunftsphantasien zu verwirklichen, welche beispielsweise Pleßner in seiner Schrift „Ein Blick auf die großen Erfindungen des zwanzigsten Jahrhunderts“ wagte. Große geschichtliche Vorgänge, wie den Einzug siegreicher Truppen in die Hauptstadt, an der Spitze den Kaiser und die Feldherren mit blitzenden Waffen und über ihnen in der Luft die fliegenden Lorbeerkränze, welche ihnen die jubelnde Menge entgegenwirft, dazu diesen Jubel selbst und die schmetternden Siegesfanfaren, alles, das ganze ergreifende Bild des großen Augenblicks wird man lebendig für alle Zeiten festzuhalten imstande sein, so daß man nach Jahrzehnten, ja nach Jahrhunderten vielleicht, wenn jener Herrscher selbst mit allen [627] seinen siegreichen Truppen und seinem Volke, das ihm entgegejauchzte, vom Allbezwinger Tod überwunden ist, ihn dennoch lebendig, wie er war in jener denkwürdigen Stunde, jeder Zeit vor sich sehen und den Jubel hören kann, den das beglückte Volk den Siegern einst entgegenbrachte.

Was werden die Geschichtschreiber kommender Jahrhunderte noch zu thun haben, wenn alles lebendig, sichtbar und hörbar bleibt, was einst Wichtiges in der Welt geschah? Dies hat die Technik unseres Jahrhunderts möglich gemacht. Welche Wunder wird uns das zwanzigste bringen?