Steyr in Oberösterreich

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Titel: Steyr in Oberösterreich
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aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 581, 583–584
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[581]

Steyr in Oberösterreich.
Originalzeichnung von R. Püttner.

[583] Steyr in Oberösterreich. (Mit Illustration S. 581.) Rauschende, tiefgrüne Alpenflüsse, am Horizonte die funkelnden Spitzen des Hochgebirges, ringsum die schattigen Hallen der Buchenwälder, hoch über der Stadt thronend ein ehrwürdiges Schloß und ein gothischer Dom, – drunten am rauschenden Wasser das großartigste industrielle Leben der Gegenwart, und dieses Alles vom elektrischen Strahle zauberhaft beleuchtet, – das sind die Elemente, aus denen sich das Bild der Stadt Steyr zusammensetzt.

Alt und bedeutsam ist ihre Geschichte, denn seit sechs Jahrhunderten blüht hier die Eisenindustrie, deren Erzeugnisse sich in der weiten Welt des besten Rufes erfreuen. Die Sensen und Messerklingen der steyrischen Meister bildeten in früheren Zeiten vielbegehrte Handelsartikel, die selbst nach dem Oriente versendet wurden, und in neuester Zeit ist der Ruf Steyrs noch durch treffliche Gewehre und Stichwaffen mehr verbreitet worden. Vor etwa zwanzig Jahren wurde hier eine Waffenfabrik gegründet, die bald zu einer der bedeutendsten dieser Art heranwuchs. In ihren großartigen Etablissements werden heute 5000 Arbeiter beschäftigt, und nicht allein zahlreiche Dampfmaschinen, sondern auch die rauschenden Wellen der vorbeiströmenden Steyr wurden in den Dienst der Fabrik gestellt. Mehr als zwei Millionen Gewehre hat die berühmte Anstalt bis jetzt an die Regierungen verschiedener Länder geliefert und blickt mit schaffensfrohem [584] frohem Muthe der Zukunft entgegen. Im eisernen Jahrhunderte ist sie entstanden und groß geworden, jetzt aber scheint sie auch dazu berufen, in dem anbrechenden elektrischen Zeitalter eine hervorragende Rolle zu spielen.

Am 2. August wurde in der kleinen, 15,000 Einwohner zählenden Stadt eine Ausstellung eröffnet, die im Großen und Ganzen ein Werk jener Fabrik genannt werden kann. Diese Ausstellung soll verschiedenen Zwecken dienen. In der einen ihrer Abtheilungen spiegelt sich die Geschichte der Stadt und ihrer Umgebung in treuester Weise wieder, in der andern sehen wir die Erzeugnisse der Forstwirthschaft vereinigt, aber von ihnen redet man in der Welt weniger. Nur die dritte Abtheilung, welche für die Darstellung der Fortschritte auf dem Gebiete der Elektrotechnik bestimmt ist, bildet den Hauptanziehungspunkt für Fremde und den Stolz der einheimischen Bürger. In der That möchte man erstaunt fragen: wie konnte das kleine Steyr wagen, nach dem Vorgange von Paris, München, London und Wien eine elektrische Ausstellung zu veranstalten? Erst seit vorigem Jahre hat ja die Waffenfabrik auch die Herstellung elektrodynamischer Maschinen, elektrischer Lampen etc. in den Kreis ihrer Thätigkeit gezogen. Was konnten da die Steyrer, die auf die Unterstützung berühmter Firmen wenig rechnen konnten, der verwöhnten Welt bieten? Nun, sie haben sich eine beschränktere, aber um so wichtigere Aufgabe gestellt, sie wollten das, was z. B. auf der Wiener Ausstellung nur in Modellen zu sehen war, in’s Große, Wirkliche übertragen. Sie beschlossen, zu zeigen, wie man die in unseren Flüssen vorhandenen Wasserkräfte mit Hülfe der elektrischen Kraftübertragung für die Industrie verwerthen kann. Und die Lösung der Aufgabe ist ihnen zu großem Theil wenigstens gelungen.

An den Ufern der Steyr sind vier Kraftstationen errichtet. Eine Turbine oder ein unterschlächtiges Wasserrad setzt hier je eine dynamoelektrische Maschine in Bewegung, welche die bewegende Kraft des Flußwassers in Elektricität verwandelt. Von diesen Stationen zweigen sich Leitungsdrähte, deren Gesammtlänge 60 Kilometer beträgt, nach allen Richtungen ab, um den elektrischen Strom in weit entfernte Werkstätten zu führen. Diese Einrichtungen sind einfach, aber was kann der kleine Fluß mit ihrer Hülfe leisten! Werfen wir nur einen flüchtigen Blick auf das bewegte Treiben an seinen Ufern!

Ein Meer von Licht überfluthet in der Nacht die Straßen der alten Eisenstadt, aber dieses Licht liefert die Steyr, denn die Kraft ihrer Wellen ist in Elektricität verwandelt worden und speist die Hunderte von elektrischen Lampen. Hier in dem Ausstellungspavillon arbeitet rastlos eine Sägemaschine, dort werden Apparate für Gewehrfabrikation in Betrieb gesetzt. Auch für sie liefert derselbe Fluß die treibenden Kräfte, die in den Leitungsdrähten aus dem Thal auf die Höhen der Hügel steigen.

Der menschliche Geist hat in der That den Wassergott des Stromes überlistet und seinen Zwecken dienstbar gemacht. Wer noch vor wenigen Jahren in die dunklen rauschenden Wogen hinabschaute, konnte er ahnen, daß aus ihrem Schooße in naher Zukunft so viel treibende Kraft und so viel Licht gewonnen werden sollte? Nun, diese Ausstellung kann Jeden belehren, was Wasserkräfte bedeuten. Die Fachleute werden die praktischen Ergebnisse dieser Versuche mit Sorgfalt prüfen und Vieles noch unvollkommen finden, wie aber auch ihr Urtheil ausfallen mag, die Ausstellung selbst wird der strebsamen Stadt stets zum Ruhm und zur Ehre gereichen.