Susanna im Bade (Gemälde der Dresdener Gallerie)
Die biblische Geschichte von der durch Daniel erretteten keuschen Susanna hat fast immer den Malern Gelegenheit zu einer üppigen Darstellung gegeben. Ungemein edel hat Veronese den Stoff behandelt, obgleich es nicht verkannt werden kann, daß der große Meister eben durch die Züchtigkeit, welche er zeigt, einen größeren sinnlichen Reiz ausübt, als dies die meisten Bilder von der badenden Susanna vermögen. Ein verführerischer Zauber ist gleichsam ganz unabsichtlich über das orientalisch geformte Antlitz und die herrlich gemalte Figur der Susanna ausgebreitet und der Contrast des schmalen, von oben neckisch herabschießenden, weißen Strals eiskalten Wassers zu dem warmen, glühenden Toben dieses schwellenden Busens und der schön geformten Schenkel und Arme ist so unwiderstehlich und hinreißend, daß man den beiden alten Faunenköpfen eigentlich wenig Vorwürfe zu machen hätte. Die Malerei des Stücks ist ungewöhnlich brillant; sie athmet Glut, wie der heiße Sommernachmittag, welcher die schöne Jüdin zu der kühlenden Quelle treibt. Die Scenerie ist wie gewöhnlich bei Veronese seiner Zeit angemessen, macht aber einen heimlichen, verstohlenen Eindruck, der vortrefflich zu der vorgeführten Situation paßt.