Tanzen für ewige Zeiten
[372] Tanzen für ewige Zeiten. In den zwanziger Jahren des 10. Jahrhunderts befand sich Kaiser Heinrich I. von seinem Herzogthume Sachsen aus auf einer Inspectionsreise durch die zweite sorbische Grenzmark, die Uferlandschaften der weißen Elster und der Saale. Die Irmensäulen der heidnischen Sorben waren längst gestürzt, und auf den Stätten vieler ehemaligen heiligen Haine erhoben sich längs der Grenzmark die kaiserlichen Zwing-, Trutz- und Schutzburgen, von welchen aus die kaiserlichen Vögte die Marken regierten. In seinem innersten Fühlen und Empfinden war indeß das Volk noch vielfach heidnisch, und so wie es das kaiserliche Regiment nur ungern ertrug, so fügte es sich auch nur ungern dem Zwange des Christenthums. Nicht selten fiel es sogar direct in die alten heidnischen Gebräuche zurück und dies besonders, wenn ein Tag herankam, an welchem die Vorfahren zu Ehren des einen oder andern der heidnischen Götter ein heiteres Fest gefeiert hatten. An solchen Tagen wurde die ganze mühsam eingeimpfte christliche Anschauung total vergessen, und die heiteren Klänge alter heidnischer Gesänge begeisterten Jugend und Alter zu ausgelassenen Festen, in denen sie sich voll und ganz den poesiereichen Ueberliefernngen einer sagen- und freudereichen Vergangenheit hingaben, den nicht selten zwingenden Verhältnissen der Gegenwart aber nur wenig oder garnicht Rechnung trugen.
Ein solches Fest fand auch eben statt, als Kaiser Heinrich I. das Land bereiste und zu Pfingsten in die Nähe des Marktfleckens Langenberg (Kreis Gera) kam. Die Bewohner gaben sich in dem heiligen Haine auf dem Hausberge in lautem Jubel der Lust eines gottesdienstlichen Tanzes zu Ehren des sorbenwendischen Liebesgottes Liko hin und achteten es wenig, als ihnen von der Nähe des Kaisers Kunde ward. Ja, auch als der Kaiser ihnen Botschaft schickte, er sitze mit seinem Reisezuge drunten im Thale im Moraste der Heerstraße fest und gebiete seinen Unterthanen, unverweilt in ihre Dorfschaften zu eilen und Zugthiere herbeizubringen, damit er seine Reise fortsetzen könne, – auch da ließen sie sich in ihrem Feste noch lange nicht stören, sondern schickten einfach dem Kaiser die Antwort: Sie könnten nicht kommen; sie hätten all’weil zu tanzen! Es wird nicht erzählt, wie der Kaiser diese Antwort im ersten Augenblicke aufgenommen hat, wohl aber, welchen Bescheid er den Tanzenden endlich zurücksagen ließ, und dieser war jedenfalls wohlüberlegt.
„Wohl,“ so lautete er, „wenn sie heute tanzen wollen, so sollen sie vom nächsten Jahre an bis in alle Ewigkeit tanzen zur Frohn!“
Und so kam es. Der heidnische Opfertanz wurde umgewandelt in einen christlichen Tanz an Gerichtsstelle, der Rolandssäule zu Langenberg. An Stelle der heidnischen Priester saßen an der Säule nun die kaiserlichen Richter, deren jüngster den Tanz eröffnete. Der Landrichter von Gera führte in Amtskleidung den Vorsitz, ihm zur Seite saßen die Gerichtsschöffen von Langenberg und den umliegenden Dörfern. Der Gerichtsplatz war durch die bewaffnete Mannschaft Langenbergs abgesperrt; die Namen der Tanzpflichtigen wurden zu Anfang des Tanzes durch einen Actuar feierlich verlesen. H. M.