Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Das Mädchen von Schwarza

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Wichtlein im mittlern Werrathale Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Das Vögelein
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45.
Das Mädchen von Schwarza.

Im Flecken Schwarza saßen einstmals viele Mädchen in einer Spinnstube beisammen und sprachen und scherzten allerlei. Da wurde auch die Frage aufgeworfen, ob wohl eine so beherzt sei, hinaus auf den vor dem Ort gelegenen Gottesacker zu gehen, und zum Zeichen ihres Dortgewesenseins einen Todtenkranz zu bringen? Alle scheuten sich vor dem Frevel, bis auf Eine, die Muth zeigte, es zu thun, und auch sofort, als es eine Wette galt, den Weg antrat. Der Mond schien hell, und die kecke Dirne gelangte bald an ihr Ziel. Doch da sie an die Gottesackerkirche kam, gewahrte sie ein Pferd an dieser angebunden, und bemerkte durch die Kirchenfenster Lichtschimmer. Leise zur angelehnten Thüre schleichend, gewahrte sie einen Mann, welcher beschäftigt war, mehrere Kostbarkeiten in die Altardecke einzupacken, und barg sich dann, als der Mann der Thüre sich näherte, hinter eine Bahre. Sie sah, wie der Räuber Alles auf sein Pferd band, und als dieser noch einmal in die Kirche zurückging, um das Licht zu verlöschen, schwang sie sich rasch auf das Pferd, und trieb es zum Dorfe hinein. Der Räuber hörte den davon eilenden Schritt des Rosses, und eilte in wilder Hast mit gezogenem Schwerte nach, die Dirne aber ritt stracks zum Hause hinein auf die Flur, und schlug die Thüre in dem Augenblick zu, als er einen Hieb nach ihr führte, der nun nur die Thüre traf, davon das Wahrzeichen noch zu sehen sein soll.

Die Mädchen in der Spinnstube hatten in ängstlicher Spannung der Rückkehr ihrer Kameradin geharrt, als sie [73] nun auf einmal das Pferdegetrapp vernahmen, und den tosenden Hufschlag außen auf der gedielten Hausflur. Sie öffneten verwundert die Stubenthüre und empfingen die Reiterin, die mit Herzklopfen ihr Abenteuer erzählte. Es wurde nun das Paket geöffnet, darin sich allerlei glänzende Kostbarkeiten fanden, zum großen Erstaunen der Anwesenden. Am folgenden Tage wurde alles Kirchengut zurückerstattet und die Maid behielt nichts für sich, als eine purpurrothe Altardecke, die der Räuber in einer andern Kirche mitgenommen, die nicht zu ermitteln war. Daraus ließ sich die Dirne ein Mieder machen, das sie am nächsten Kirchweihtage trug. Da tanzte die kecke Dirne frisch auf, und es kam auch ein stattlicher fremder Herr, der sie fest ins Auge faßte, und auch um einen Reigen bat. Und wie sie so im wirbelnden Tanze dahinflogen, zuckte er einen Dolch hervor, und stach sie mitten in das Herz, daß sie tod niedersank, und verschwand. Das war der Räuber, dem sie seinen Raub entführt.

Diese Sage begegnet auch an andern Orten, so z. B. in Königshofen in Franken in ziemlich ähnlicher Weise.