Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Elisabeths Prüfungen

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Vom Kreuzzuge Landgraf Ludwigs V. Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Elisabeths Wiedererhöhung
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[178]
98.
Elisabeths Prüfungen.

Die fromme Landgräfin Elisabeth von Thüringen war einer Tochter genesen, während ihr Gemahl sich auf dem Kreuzzuge befand, welches Kind den Namen Gertrud, nach ihrer eigenen Mutter, empfing. Da kam die Schreckenskunde vom Ableben des Landesherrn nach Thüringen, und es blieb ihrer Schwiegermutter vorbehalten, ihr die Todesnachricht des Gemahles beizubringen, die Elisabeth mit dem tiefsten Schmerze empfing. Dahin war nun alle ihr Trost auf Erden, und sie sagte es selbst: Tod, tod, tod ist mir nun die ganze Welt. Das furchtbar schwere Gewicht des Wortes Wittwe drückte sie zu Boden. Der Brunnen ihres Lebensglückes war nun versiegt, und wurde zum Wermuthborne, der den Kelch ihres Leides füllte.

Des Landgrafen Bruder Heinrich, Raspe zubenannt, hatte längst nicht ohne heimlichen Groll die übergroße Freigebigkeit Elisabeths wahrgenommen, und sie laut, wie im Stillen getadelt. Jetzt hielt er an der Zeit, gegen diese Verschwendung einzuschreiten, denn er war jetzt Thüringens Regent, da seines Bruders einziger Sohn noch unmündig war. Ueber die persönlichen Zerwürfnisse, welche vorhergingen, bevor es zum äußersten gedieh, schweigt sowohl die Sage, als auch die Geschichte. Es überhüllt dieselben ein tiefer Schleier, aber das äußerste geschah, [179] und war nichts geringeres, als daß an einem Wintertage des Jahres 1227 auf 1228 die bisherige Herrin des Thüringer Landes, die Tochter eines Königes, die mildthätigste, untadelhafteste Frau, die treueste Gattin, die zärtlichste Mutter ihrer Kinder, sammt diesen Kindern ihr hochprangendes Schloß verließ, herunter nach Eisenach wandelte, und in dieser Stadt von allen Häusern, wo sie Obdach suchte, mit Härte, Strenge oder Furcht vor dem neuen Herrn abgewiesen, herumirren und endlich mit einem elenden Schoppen, in der Rolle, und da in der Nähe eines Schweinekofens, vorlieb nehmen mußte. Aber groß und herrlich in ihrer tiefsten Erniedrigung ging Elisabeth um Mitternacht in die Klosterkirche der Barfüßer Mönche und bat dieselben, ein Tedeum anzustimmen, daß Gott sie also heimsuche. Wie stolz war der Wirth zum Hellegrafenhofe einst gewesen, als sein Haus der Ehre gewürdigt ward, das Königskind von Ungarn aufzunehmen, und zu übernachten, das er jetzt derselben Elisabeth verschloß. Auch ärntete sie in vollem Maaße den Dank, der einem unbegrenzten Wohlthätigkeitstriebe zu Theil wird. Keine Seele von alle den Hungerern und Lungerern, Faullenzern und bettelnden Tagedieben Eisenachs, die sie vielleicht mit ihren Spenden erst verwöhnt, regte auch nur eine Hand für die herabgewürdigte Herrin, und für den jungen Herrn, den geborenen rechtmäßigen Landgrafen von Thüringen. Elisabeth wandelte von der Rolle aus am Markte beim Eingange in die Messerschmiedegasse über den Löbersbach, wo man über diesen kothigen Graben nur auf schmalen Schrittsteinen gelangen konnte, da begegnete ihr ein altes nichtswürdiges Bettelweib, dem die milde Almosenspenderin oft genug die Hände und den Mund gefüllt, das wich ihr [180] nicht nur nicht aus, sondern stieß mit jauchzender Verruchtheit die edle Fürstin von den Schrittsteinen herab in den Koth des Löberbaches, daß sie hernach an ihren übel beschmutzten Kleidern genug zu waschen hatte. Und sie trug das alles mit Lächeln, und dankte Gott, daß er sie so demüthigte. Sie sahe auch den Heiland in einem himmlischen Gesichte, mitten im offenen Himmel, und er sprach zu ihr: Wenn Du bei mir sein willst, so will ich bei Dir sein. – Davon ward sie wunderbar aufgerichtet.