Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Wo der Hund begraben liegt

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Der Schlangenkoch Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Vom Gerberstein
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[235]
125.
Wo der Hund begraben liegt.

Am östlichen Fuße des Wartberges gegen den Inselberg hin liegt das Dorf Winterstein, und zu Winterstein „liegt der Hund begraben“. Dort war und ist noch ein ritterliches Geschlecht seßhaft, die Herren von Wangenheim, das einen Hund im Wappen führt, die hatten dort ihr Stammschloß, das jetzt in Trümmern liegt, doch sind noch drei Wangenheimische Schlösser daselbst. Vor 200 Jahren hatte ein Jägermeister des Geschlechtes derer [236] von Wangenheim einen Hund, der hieß Stutzel, und war geschickt, treu und klug, so klug, daß man ihn als einen treuen Boten mit Briefen nach Gotha auf das Schloß Friedenstein schicken konnte. Dieser Hund blieb auch noch der Wittwe jenes Jägermeisters lieb und werth, fast allzulieb, denn als derselbe der Natur seinen Tribut gezahlt, und gestorben war, war die Jägermeisterin Wittwe ganz außer sich vor Schmerz, ließ für den Hund einen Sarg machen, wie für einen Christenmenschen, weinte sehr um ihn und verlangte zumal, daß ihre ganze Dienerschaft ebenfalls um den Stutzel weinen sollte. Letztere that dies auch, mindestens that sie so, als weine sie rechtschaffen; dafür bekam sie auch Trauerkleider von der Herrin geschenkt. Einzig nur die alte Köchin, deren Augen um den Hund völlig trocken blieben, that nicht einmal, als ob sie weine, da bekam sie tüchtig Schelte, worauf sie eine Zwiebel zerschnitt und sich die beiden Hälften an die Augen hielt. Darauf thräneten ihr baß die Augen, und als sie nun so der Herrin unter deren Augen trat, ward letztere tief gerührt, und schenkte der alten Köchin auch ein schönes neues Trauerkleid. Nun wollte Frau von Wangenheim den Stutzel durchaus auf den Gottesacker begraben haben, weil er ein gar so frommes Hundevieh gewesen, dagegen widersetzte sich der Pfarrer und sagte, dieß gehe nicht an. Aber die Frau Wittwe bestimmte der Kirche 100 Thaler, und dem Pfarrer 50 Thaler, da mußte es angehen, um der Armuth des Kirchleins und des Wintersteiner Pfarrers Willen. Und hatte der Hund eine sehr schöne Leiche. – Als aber die Sache im Lande ruchtbar wurde, wurden die Einwohner von Winterstein von ihren nachbarlichen Umwohnern furchtbar geneckt und verhöhnt, daß auf ihrem [237] Kirchhof „der Hund begraben liege“. Und der Pfarrer wurde vor ein Herzogliches Consistorium nach Gotha gerufen, ihm eine Strafpredigt gehalten und der Text gelesen ganz gehörig, dann wurde der Pfarrer abgesetzt, und der Stutzel ausgegraben, worauf ihn die Frau Jägermeisterin in der alten Schloßruine beisetzen, und ihm einen schönen Grabstein errichten ließ, auf dem Stutzel abgebildet zu sehen ist, wie er leibte und lebte, nicht etwa heraldisch, daß man denken könnte, die Sage sei aus dem Familienwappen abgekünstelt. Darunter steht mit lateinischen Buchstaben folgende Inschrift:

H. V. W. 1650 war der Hund begraben, H. V. W.
 Daß ihn nicht sollen fressen die Raben.
 Stutzel war sein Name genannt,
 Bei Fürsten und Herren wol bekannt,
 Wegen seiner Treu und Munterkeit
 So er seinem Herrn und Frauen geweiht.
 Schickt man ihn hin nach Friedenstein,
 So lief er hurtig ganz allein,
 Gut hat er sein Sach ausgericht’t,
 Drum hat er diesen Stein gekriegt.