Zum Inhalt springen

Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Der böse Vogel in Gera

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Der Mönch zu Mildenfurt Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Frohntanz in Langenberg bei Gera
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[107]
237.
Der böse Vogel in Gera.

Vor Jahren herrschte eine furchtbare Pest in Gera, von der mancherlei erzählt wird, unter andern diese Sage: Zwei fremde Gesellen saßen beieinander in einer Stube, darinnen etliche Personen an der Pest darnieder gelegen und gestorben waren. Die Gesellen zechten mitsammen, da sahen sie von ohngefähr in einem Winkel der Stube einen blauen dünnen Rauch, wie einen Nebel, gar sachte aufsteigen, welchem sie mit Verwundrung zusahen, und wahrnahmen, daß er sich allmählig in eine Klunze in der Wand hinein verschlich. Darauf lief einer der Gesellen hinzu und schlug aus Kurzweil einen Pflock in das Loch, und dachte nach der Zeit nicht wieder daran, bis nach etlichen Jahren, da man von keiner Seuche mehr gewußt, dieser Mensch in ebenderselben Stube sich wieder befand, und von ohngefähr gewahr wurde, daß der Pflock, den er vor etlichen Jahren in die Wand geschlagen, noch an seinem vorigen Orte stak. Dadurch wurde der Gesell bewogen, aus Scherz gegen die Anwesenden zu sagen: Siehe da! vor einigen Jahren habe ich einen Vogel dahinein gesperrt, ich muß doch sehen, ob er noch darinnen ist? Zog darauf den Pflock aus der Wand, da denn von Stund an der giftige, blaue Dunst aus dem Loche wieder hervorzog, worauf alsbald nicht allein etliche Personen im Hause von der Pest befallen, sondern auch die ganze Stadt von Neuem wieder, und zwar schrecklicher als zuvor, heimgesucht worden ist.