Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Die weiße Frau

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Die grüne Frau Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Heilsberg
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[229]
366.
Die weiße Frau.

Eine Magd vom Pachthofe zu Watzdorf hatte auf dem sogenannten Gottesacker des alten Schlosses Gras mit der Sichel gemäht. Da wurde es ihr sehr heiß und sie wartete schmerzlich auf das Mittagsessen und einen kühlen Trunk. Als sie vor Ermattung nicht mehr arbeiten konnte, steckte sie ihren Rechen in die Erde, hing ihre Schürze darüber und legte sich in den Schatten, welchen diese warf. Da erschien ihr eine weiße Frau mit blassem Gesicht und langen gelben Haaren und winkte ihr freundlich. Aber der Magd zitterten und bebten alle Glieder vor Furcht, sie wandte sich weg und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. Als ihr nun eine andere Magd das Mittagsbrod brachte, war nichts mehr von der weißen Frau zu sehen, und jene schämte sich jetzt ihrer Verzagtheit. Wer weiß, welch einen herrlichen Trunk Weines sie erhalten hätte, oder was sonst für ein Schatz ihr bescheert war.