Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Entrücktes Vieh
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Entrücktes Vieh.
Kein Jahr verging, ohne daß der Hirt aus Rehmen, der Kühe und Schweine zu hüten hatte, wenn er in der Nähe des Chamsenberges weidete, ein Stück aus seiner Heerde verlor; weil er nun den Schaden ersetzen mußte, war er ganz verarmt, und sollte aus seinem Dienste gejagt werden, sobald wieder ein Verlust entstände. Eines Abends vermißte er wieder eine fahle Kuh und zugleich ein weißes Schwein, die schönsten Thiere gerade in der ganzen Heerde. Laut jammerte er auf, denn nun war sein Unglück gewiß. Da traten drei weiße Männer an ihn heran, wiesen ihm einen Felsen hinter dem Chamsenberge, dahin solle er kommen, wenn er eingetrieben habe, dort werde er seinen Schaden ersetzt finden. In seiner Noth blieb dem geplagten Mann nichts Anderes übrig, er fand sich an der angewiesenen Stelle ein noch in derselben Nacht, und bekam dort ein Stück Gold, wofür er mehr als 10 Kühe und Schweine hätte[WS 1] kaufen können.
Das ist das erste aber nicht das letzte Mal gewesen. Alle Jahre noch hat der Mann fahle Kühe und weiße Schweine verloren, hat aber auch für jedes Stück Vieh ein Stück Gold an jenem Felsen gefunden. Das ist so fortgegangen bis zu seinem Tode.
Das Vieh, das dem Hirten aus Rehmen entwendet wurde, soll in die Stallung gebracht worden sein, die zu Schloß Osteralitz gehörte. Sie befand sich auf der nördlichen Seite des Chamsenberges und ist mit dem Schlosse zugleich versunken.
Daß den Chamsenbergsagen auch die Wunderblume [169] nicht fehlt, bedarf kaum der Versicherung. Sie steht an diesem Berge in voller Blüthe.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: hätten