Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Der Schlangenkreis
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Der Schlangenkreis.
Zu Oppurg lag eine arme Frau in den Wochen. Da träumte ihr: Wenn sie zur Kirche gegangen sei, solle sie des Nachts mit ihrem Kinde auf den Chamsenberg gehen; dort werde sie einen Kreis finden aus Schlangen gewunden, mitten hinein solle sie unbedenklich das Kind legen, dann sei ihr Glück auf zeitlebens gemacht. Drei Mal hatte sie denselben Traum. Da ließ die Frau ihren Beichtvater zu sich rufen und erzählte ihm, was ihr geträumt, sprach von ihrer Armuth, und daß sie gern ihr Glück machen möchte. Der Beichtiger dachte hin und her darüber nach, segnete dann Kind und Mutter ein, und sagte, nun könne sie in Gottes Namen den Gang machen auf dem Chamsenberg. Des Nachts darauf nahm die Frau ihr Kind und ging dem Berge zu. Das Traumgesicht ging aus. Der Schlangenkreis war da, in den sie das Kind legen sollte. Als sie aber das Ungeziefer sah, da griff es ihr an das Mutterherz; um alle Schätze der Welt hätte sie ihr Kind nicht darunter legen mögen. Dann rollte ein Faß heran, ein graues Männchen stand dabei, stürzte das Faß um mitten in die Schlangen hinein, und lauter feurige Kohlen fielen heraus. Die Schlangen zischten auf und schlangen sich in das offene Faß. Da hatte die Frau genug gesehen. Sie faßte ihr Kleines, wußte sich reich und groß damit, mochte doch alles andre [170] fehlen! und rannte den Berg herunter. Ganz leer war es mit dem Schatze doch nicht abgegangen. Ein paar Kohlen waren unversehens ihr in die Schuhe gefallen. Die Frau spürte unterwegs wohl, daß etwas drückte, nahm sich aber nicht die Zeit nachzusehn und die Schuhe auszuschütteln. Daheim in der Stube fand sich, das die Kohlen sich in Goldstücke verwandelt hatten.