Theben in Aegypten
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Siehe die Ueberreste der hundertthorigen Thebae, der Urmutter der Städte, des unter der Last von neun Jahrtausenden langsam zerbröckelnden Denkmals eines wundervollen Geschicks. Siehe den Ort, wo ein jetzt vergessenes Volk, zu einer Zeit, wo alle andern Nationen des Abendlandes Barbaren waren, Wissenschaften und Künste, als rohe
[28] Elemente von Indien empfangen, ausbildete zu einer hohen Kultur, und ein Geschlecht von Menschen (die Aethiopier), jetzt der Auswurf der Menschheit, weil sie krauses Haar und eine schwarze Haut haben, die bürgerlichen und Religionssysteme gründete, die, mannichfach verändert, über die Welt regieren bis auf den heutigen Tag. Siehe hier die Stätte, wo die merkwürdigsten und größten Männer des Alterthums, Gesetzgeber, Philosophen, Dichter und Propheten ihre Bildung erhielten und die Lehren empfingen, deren Anwendung der Kulturgeschichte der Menschheit ihren Gang anwieß. Hier dichtete Homer; hier wirkte Joseph, der hebräische Staatsmann; hier drang Moses, der große Stifter der geläuterten Gotteslehre und der Regenerator seines Volkes, in die Tiefe der Geheimnisse der Priester; hier sammelte Pythagoras die Ideen für seine Theorie der Seelenwanderung; Herodot schrieb seine Geschichte hier nieder; Plato lebte 13 Jahre in Aegypten, meistens in Theben, und Hypokrates dankt das Meiste seines gepriesenen Wissens in der Heilkunde der Mittheilung Thebaischer Gelehrten. Demokrit, der Geometer, studirte in Theben; Lykurg und Solon brachten aus Aegypten die Ideen einer Neugestaltung der gesellschaftlichen Ordnung in ihr Vaterland zurück; Thucydides, Hekatäus von Milet, Thales, Ephorus von Cumae, Euklid, Plutarch und Archimedes, Diodor, Strabo, Manetho und der Syrakusaner Philist machten in Theben ihre Studien, oder die Metropole am Nil zum Ziel ihrer Reisen.
Theben ward lange vor unserer Zeitrechnung von Osiris, einem Aethiopischen Fürsten indischer Bildung, gegründet. Er erhob es zur Hauptstadt seines Reichs, das Oberägypten, Nubien und Abyssinien einschloß. Memnon verschönerte es und schmückte es (6200 Jahre vor Christo) mit den herrlichsten Riesen-Werken der Baukunst aus. Seinen höchsten Glanz erreichte es unter Sesostris, dem Alexander der Urgeschichte, welcher, nachdem er die damals bekannte Erde, vom Himelaja bis zum Atlas, und vom Don bis zum persischen Meerbusen, erobert hatte, das Sumpfland des untern Nilthals an sein Heer von 400,000 Streitern vertheilte, welche es durch Kanäle austrockneten und viele Städte anlegten. Als Mittelpunkt des größten Reichs der Erde füllte sich Theben mit unermeßlichem Reichthum und unglaublicher Bevölkerung an. Homer, der vor etwas länger als 3000 Jahren, zur Zeit des Trojaner-Kriegs, als Theben schon durch das emporblühende rivalisirende Memphis von seinem alten Glanze Vieles verloren hatte, die Stadt beschrieb, sagt noch von ihr:
Wenn ich ihm böte, was Theben hegt, die Hauptstadt Aegyptens, wo
Reich sind die Häuser an Schätzen, und hundert Thore sich öffnen; etc.
Noch mehr aber als die Alten von der Herrlichkeit der Nilstadt berichten, verkündigen uns die Ruinen, deren merkwürdigste wir jetzt betrachten wollen. –
[29] Wenn gleich die Monumente Aegyptens zu den ältesten unserer Erde gehören, so übertreffen sie doch an Anzahl und Größe alle vorhandenen Ueberreste griechischer und römischer Baukunst. Sie sind auch besser erhalten als diese letztern und scheinen zu beweisen, daß sich kein Volk mehr bemüht habe, das Andenken von sich, von seiner Größe, Macht und Kultur auf die späteste Nachwelt zu bringen, als die Aegypter. Die Ursache von so langer Erhaltung ägyptischer Denkmale liegt zunächst in ihrer vortrefflichen Construction, in ihren colossalen Verhältnissen und in der Wahl der Steingattung: denn die Aegypter bauten größtentheils mit dem festen, Jahrtausende den Einwirkungen der Luft und der Sonne widerstehenden Sandstein; die Römer und Griechen hingegen mit Marmor, der nach 19 Jahrhunderten fast stets verwittert ist, wie uns ihre Baureste, mit wenigen Ausnahmen, beweisen.
Theben, als der älteste Centralpunkt des Reichs und seiner Kultur, liefert uns begreiflicherweise mehr als irgend ein anderer Ort in seinen Ueberbleibseln von Tempeln, Pallästen, Pyramiden, Obelisken, Hypogeen und Katakomben die merkwürdigsten Beiträge zur Geschichte der Architektur, und durch seine Sculpturen, Wandgemälde und Bilderschriften die reichsten Quellen zur Urgeschichte der Menschheit. Vor der französischen Expedition waren sie durch Reisen eines Pocock, Norden und Bruce nur unvollkommen bekannt geworden; Erst Bonaparte, der, großsinnig, die Zwecke des Kriegs mit denen der Wissenschaft zu verbinden verstand, hat durch das auf seine Kosten und Veranlassung von Denon edirte Prachtwerk: – DESCRIPTION DE L’EGYPTE – der Welt die Wunder des Nilthals und der Wüsten, die es begrenzen, gänzlich aufgeschlossen. Er setzte dadurch seinem berühmten Feldzug ein dauernderes Denkmal, als das französische Volk kürzlich in der Aufrichtung eines Thebaischen Obelisken an dem Strande der Seine gethan hat.
Die Ruinen von Theben liegen, im heutigen Oberägypten, zu beiden Ufern des Nils, ungefähr 3 Tagereisen von Kairo. Sie nehmen eine Aera von etwa 3½ Quadratmeilen ein. – Mehre arabische Dörfer – Medinet-Abu, Luxor, Karnak, Gurah, – vom Staube der Metreopole erbaut, bedecken nur einen kleinen Theil ihres Raums.
Am linken Stromufer fallen zuerst die Trümmer einer großen mit Ziegelgemäuer umgebenen Rennbahn in die Augen. Dieser Hippodrom hat eine Breite von 3000 Fuß und eine Länge von 75,000. Er ist also 7mal größer als das Marsfeld von Paris. Eine Million Krieger fanden hier zu ihren Uebungen Platz. – Ihm gegenüber sieht man eine zweite, kleinere Rennbahn, 5200 Fuß lang und 3000 Fuß breit. Die sie umgebende Mauer hat die ungeheuere Dicke von 60 Fuß; sie ragt jetzt noch 9 bis 12 Fuß hoch aus dem Schutt hervor. Beide Gebäude dienten zu Wagenrennen und Wettläufen, zum Einüben der Heere, zur Feier der Siege. Die sie einst umfassenden Gebäude, Tempel, Tribünen, Balkone liegen in Trümmer; aber am großen Hippodrom unterscheidet man deutlich noch 39 Thore.
In dieser Rennbahn, gegen welche die der Römer als Kinderwerke erscheinen, feierten Busiris, Osymandias [30] und Sesostris, die Alexander und Cäsaren des alten Aegyptens, wenn sie von ihren Zügen als Welteroberer heimkehrten, in der Mitte ihrer Heere ihre Triumphe. Jetzt ist dieser weite Bezirk, welcher die ganze gegenwärtige Bevölkerung Aegyptens in sich aufnehmen könnte, von Bewässerungsgräben durchzogen und zu Maisfeldern benutzt. –
In geringer Entfernung von der großen Rennbahn, bei’m Dorfe Medinet-Abu, machen sich die Torso’s zweier Menschenkolosse aus Granit, die 36 Fuß hoch waren, bemerklich. Ohne Zweifel zierten sie den Eingang eines von der Erde verschwundenen Riesengebäudes, zu welchem ein Pavillon von gewaltigen Dimensionen gehört haben mag, der sich auf einem Schutthügel in der Entfernung von 500 Schritten erhebt. Seine geneigten Wände sind mit sehr erhabenen Reliefs angefüllt, die Macht des Regenten, mit welcher er sich gegen seine Feinde rächt und die dem Gesetze ungehorsamen Unterthanen bestraft, eindrucksvoll veranschaulichend. Stufen führen auf die Decke dieses Pavillons, und hier hat man eine weite, entzückende Aussicht. Nach Westen fällt sie auf die arabische, den Horizont bekränzende Bergkette, nach Nordwesten auf die Lybischen Berge, gegen Osten breitet sie sich über die große, nach dem Rücktritt der Ueberschwemmung grüne Ebne von Theben aus, und der Blick schweift mit unnennbaren Gefühlen über die malerische, schweigende Trümmerwelt hin. –
Zunächst, und noch im Bezirke des Dorfes Medinet-Abu, steigt der Pallast des Sesostris empor. – Ein Thor bildet den Eingang unter einem Pylon (einer abgestumpften Pyramide), der, in der Fronte und da, wo er aus dem Boden hervortritt, 200 Fuß breit ist. Seine Mauer haben die Dicke von 27 Fuß, und tiefer Schutt liegt über 30 Fuß hoch. Mit Erstaunen sieht man, daß diese vor 35 Jahrhunderten errichteten gewaltigen Konstruktionen, aus Werkstücken bestehen, die noch ältern verfallenen Monumenten entnommenen wurden. Alle Außenwände zieren merkwürdige, bei keinem andern ägyptischen Monumente vorkommende Skulpturen, die auch das Innere des Pylonenthors schmücken, welches in einen großen Hof führt. Hallen umringen ihn und vor jedem Pfeiler steht ein Riesenbild des Osiris. Die Decke der Gallerien ist aus Felsblöcken zusammengesetzt, welche wahrscheinlich zur Unterlage schwebender Gärten gedient haben. – Diesen ersten Hof schließt ein zweiter Pylon, dem ersten gleichend. Durch die 50 Fuß hohe und 35 Fuß breite, mit Hieroglyphen und Figuren prachtvoll verzierte Granitpforte desselben, zu deren Schwelle breite Stufen hinanleiten, kömmt man in den auf drei Seiten mit hohen Säulengallerien umgebenen inneren Hofraum. Abermals sieht man kolossale Figuren ägyptischer Gottheiten vor jeder Säule. Viele stehen noch wie sie vor viertehalb Jahrtausenden gestanden; andere liegen herabgestürzt und zertrümmert auf dem Boden. In der Mitte dieser weiten Aera fallen einige 3 Fuß dicke, 24 Fuß hohe aufrechtstehende Säulen auf, deren Schaft aus einem Granitblock gehauen ist. Diese Konstruktionen haben mit den ägyptischen keinen Zusammenhang; es sind Reste eines neuern Tempels. Wahrscheinlich hat dieses Gebäude dem verschiedenen Kultus der Eroberer des Landes dienen müssen; daß es auch [31] einmal eine christliche Kirche gewesen ist, beweisen mehre Skulpturen, woran die Figuren der Isis und Osiris in christliche Heilige umgewandelt sind. Zuletzt diente die Anlage den Muselmännern zur Moschee, welche gleichfalls Spuren ihres Kultus zurückgelassen haben! –
Die innern Wände der Hallen und der Pylonen sind mit für den Geschichtforscher höchst wichtigen Bildwerken überzogen. Sie stellen die ruhmgekrönten Unternehmungen des Sesostris dar, seine Kriegszüge zu Wasser und zu Land. Der große König selbst erscheint immer kolossal und immer von Angesicht der nämliche: es ist also Portrait. An ihren Trachten erkennt man die Völker, mit denen er kämpfte: Indier, Perser, Aethiopier, Scythen und die Nationen der Wüste.
Also ist dieses Gebäude gleichsam das offene Buch der Geschichte. In einer allen Völkern gleich verständlichen Sprache bestätigen diese Bilder die Richtigkeit der Angaben der ältesten Geschichtschreiber, des Herodot und Diodor. Und wie lehrreich werden sie erst dann seyn, wenn wir die eingehauenen Erklärungsschriften, die Hieroglyphen, verstehen können! –
Hinter dem zweiten Pylon ist ein offner Raum mit Fragmenten großer Werkstücke bestreut; wahrscheinlich Ueberreste der eigentlichen Wohnung der Monarchen. Diese scheint mit Pulver gesprengt worden zu seyn, so vollkommen ist ihre Zerstörung.
Einige Tempel stehen in der Nähe. Sie können uns, da wir nur für die Beschreibung des Allermerkwürdigsten Raum haben, nicht weiter beschäftigen.
Eine Viertelstunde von Medinet-Abu liegt ein Akaziengehölz. Dieser Hain grünt auf der Stelle des berühmten Memnonium, welches, wie uns Strabo berichtet, eine der wundervollsten Anlage in der alten Welt gewesen war. Leider sind von diesem ältesten Gebäude Thebens selbst, außer tiefem Steinschutt, fast keine Spuren mehr anzutreffen; aber die aufgefundenen kolossalen Bildsäulen, so wie die Beschreibung Strabo’s, lassen über den Ort, wo es gestanden, keinen Zweifel übrig. Zuerst fallen, am Rande des Hains, zwei sitzende Kolosse auf, die man anfänglich mit ihren grasbewachsenen Schultern für Felsen ansieht, bis man mit tiefem Erstaunen die menschliche Form und sie als Werke der Kunst erkennt. Eine der beiden Statuen ist das berühmte Bild des Memnon, das mit dem von Hieroglyphen bedeckten Thron 60 Fuß Höhe hatte und aus einem einzigen Granitblock gehauen war. Cambyses stürzte es, nach der Eroberung Thebens, in vandalischem Uebermuthe herab und ließ es zerschlagen. Die Römer haben später, auf einer Unterlage von Sandstein, den verstümmelten Kopf wieder aufgerichtet. Das ursprüngliche Gewicht der Statue kann nicht weniger als 15000 Zentner betragen haben, und der Transport einer so ungeheuern Masse von dem entfernten Gebirge herab in die Ebene, ist selbst der heutigen Mechanik noch ein Räthsel. Der andere, gleichfalls verstümmelte Koloß besteht jetzt noch aus einem Block. Jene Statue des Memnon gab, nach Pausanias Beschreibung bei [32] Aufgang der Sonne einen Ton von sich, welcher dem Springen der Saite einer Guitarre glich: – unstreitig eine durch die Priester unterhaltene Gaukelei. Wahrscheinlich zierten beide Kolosse den Haupteingang des Pallastes. – Tiefer im Gehölze, in geringer Entfernung von den eben beschriebenen Bildsäulen, glaubt man eine Menge unter Bäumen und Gesträuch umherliegender Felsblöcke zu erkennen, die aber in der That nichts sind, als Riesenstatuen. – Es sind ihrer so viele, daß man alle Hauptstädte der Erde damit schmücken könnte! Sie sind zerbrochen; viele messen aber noch 40 bis 50, eine selbst 65 Fuß! – Drei Reihen Säulen, deren Schafte nur wenig aus dem Boden hervorragen und deren obere Hälfte abgesprengt scheint, waren wahrscheinlich bestimmt, den Thronsaal des Monarchen zu tragen. Sie sind nebst den Kolossen die einzigen Ueberreste eines Denkmals, das den Pallast von Karnak an Ausdehnung noch übertroffen haben mag. –
Jenseits des Gehölzes prangt das Grabmal des Osymandias, so merkwürdig wie das Memnonium.
Ein nobler Portikus führt durch einen Pylon in den mit hohen Säulen umstellten Vorhof. Die innern Wände des Pylon zieren Reliefs bewundernswürdiger Ausführung, Bilder von Schlachten, Belagerungen, und Heldenthaten des Osymandias. Besonders schön ist das, welches den König darstellt, im Begriff, gefangene Fürsten zu richten. – Im Hofe liegen eine Menge Granitblöcke umher, in denen man bei näherer Untersuchung die Fragmente einer Statue von wahrhaft ungeheuerm Verhältniß erkennt. Sie gehören zu der berühmten Bildsäule des Osymandias, der größten der alten Welt. Sie war aus einem bei Syene gebrochenen Felsen rosenrothen Granits gehauen, und hatte ein Gewicht von mehr als 25,000 Zentner. Der Sockel, ebenfalls ein Granitblock, steht noch auf seiner Stelle. Er ist 36 Fuß lang, breit und hoch. Hieroglyphen bedecken seine Flächen.
2000 Jahre stand das Bild unversehrt, ein unantastbares Heiligthum. Cambyses, der Perser, der Eroberer Thebens, ließ es zerschlagen (525 Jahre v. Chr.).
Ein zweiter Monolith, die Statue der Mutter des Heros, war in kleiner Entfernung von jenem aufgerichtet; er ist verschwunden und nur der Sockel noch übrig.
Eine 200 Fuß breite Treppe führt aus diesem Hofe zu einer prächtigen, im zweiten Pylon befindlichen Pforte, durch welche man in den innern Hof gelangt, noch herrlicher verziert, als der äußere. Säulen von 30 Fuß Höhe und 8 Fuß Durchmesser bilden die ihn umgebenden Gallerien, welche in der großartigsten Prospektive – zwischen einer Allee von colossalen Osiris-Statuen von 30 Fuß Höhe – auf die 3 Pforten des Sanctuariums hinführen, das eine mit historischen Reliefs geschmückte Mauer vom Hofe trennt. Es war ein länglich-viereckiger Saal, von 60 Säulen, in 10 Reihen gestellt, getragen[WS 1]. 4 Reihen stehen noch aufrecht; die übrigen sind nicht mehr zu sehen. Alle Seitenwände des Sanctuariums sind mit Reliefs geziert, welche die Belagerung einer großen Stadt, die von mehren Citadellen beschützt wird, vorstellen. Osymandias, zu Wagen, vor sich her die Feinde niederschmetternd, [33] dringt mit dem stürmenden Heer zum Hauptthor herein; während Zahllose auf Leitern und mittelst Stricken und Hacken die Mauern erklimmen. Die Skulpturen des Plafonds, der zum größten Theil eingestürzt ist, versinnlichen religiöse Gebräuche. Erbaut wurde dieses Denkmal, das Strabo ausführlich beschreibt, 2500 Jahre vor Christo.
Hinter einem Palmenwäldchen, auf einer Anhöhe, von weitläufigen Ruinen umgeben, liegt das Dorf Gurnah.
Hier gränzt das Reich des Lebens dicht an das des Todes; denn die Libysche Wüste, eine völlig unfruchtbare, wasserlose Felslandschaft, zieht sich bis zum Dorfe herab. – Nahe bei demselben, in einem schauerlichen, dunkeln Felsthal, in welches sich zahlreiche Schluchten einmünden, ist die Nekropolis der alten Thebais. Alles an diesem Orte erweckt den Gedanken an Trauer und Tod. Hier sproßt kein Grashalm; hier rieselt keine Quelle; hier singt kein Vogel; alles Lebendige ist geflohen. Nur der Wind heult in den Schluchten sein ewiges Klaglied!
Aber welche Pracht in diesen unterirdischen Pallästen des Todes, in diesen Mausoleen der Pharaonen! Welche Erhabenheit in diesen Denkmälern einer untergegangenen Kultur, deren Größe wir nur anstaunen, nicht begreifen können!
Lange unterirdische Gallerien führen zu großen Sälen, die labyrinthartig durch Gänge mit einander zusammenhängen. Diese aus dem festen Gestein gehauenen Räume sind mit den kostbarsten Skulpturen geschmückt, theils Basreliefs, theils vollrund gearbeitete Bildwerke, und die Plafonds und Zwischenräume der Seitenwände zieren Freskomalereien.
Gegenwärtig sind diese Gräber, seit so vielen Jahrhunderten den beutesuchenden Arabern und antiquarischen Plünderern preisgegeben, kläglich entweiht. Die Särge der Mumien, welche in Nischen reihenweise übereinander standen, sind, um der Kostbarkeiten willen, die zuweilen den Todten mitgegebenen wurden, längst zerbrochen; unversehrte kommen nur noch als Seltenheiten vor: aber die unzerstörbaren Todtenpalläste selbst sind geblieben und werden von dem hohen, ernsten, tiefsinnigen Cultus und der großartigen Sinnesart der Aegypter auch dann noch Zeugniß geben, wenn der Zahn künftiger Tausende ihre in der Oberwelt errichtete Riesenbauten alle zu Staub zermalmt hat. –
Das linke Nilufer verlassend, werfen wir jetzt noch einen Blick auf das jenseitige Gestade. Dort sind die größten und prächtigsten Reste des alten Theben, die herrlichsten in ganz Aegypten, die colossalsten der ganzen Welt.
Zuerst zum Pallast von Luxor! Unmittelbar am Nil, auf einem über 2100 Fuß langen und etwa halb so breiten Sockel von Mauerwerk, erhebt er sich als ein Wald von Säulen, über dem, Ehrfurcht erweckend, hohe Pylonen und schlanke Obelisken ragen. Alles ist riesenstark und groß an diesem Bau; die Hauptsäulen haben eine Höhe von 62 und einen Umfang von 30 Fuß! – In einem der Höfe stehen, auf haushohem Schutt, die elenden Hütten des Dorfes Luxor! –
Und dieses gewaltige Gebäude ist doch nur eine Art von Pavillon, ein Anhängsel eines noch weit unermeßlichern, [34] mit dem es durch mehre, jetzt bis auf die letzte Spur zerstörte Gallerien verbunden war. Jenes, der „große Pallast“ (auch nach dem ihm eingebauten arabischen Dorfe der von Karnak genannt,) hatte in seiner nach dem Nil zu gerichteten Fronte ursprünglich eine Länge von 7032 Fuß, welche also die der größten Königspalläste Europa’s zehnmal übertraf. Eine halbstündige Allee von 600 colossalen Sphynxen führt auf den Eingang. Er, den Flügelthüren von Bronze, 60 Fuß hoch und 20 Fuß breit schlossen, ist durch einen majestätischen Pylon von 350 Fuß Breite und 150 Fuß Höhe gebrochen, und 4 Colosse, jetzt bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert, standen an den Seiten des Thorwegs. Aus ihm gelangt man in einen 450 Fuß langen Säulen-Hof, und von da in ein tempelartiges Gebäude, das als Vorhalle zum Hauptsaal diente, welcher mit erzenen Riesenpforten von 63 Fuß Höhe versehen war. Dieser Raum, wahrscheinlich der königliche Thronsaal, in welchem sich bei feierlichen Gelegenheiten die Macht und Herrlichkeit des Reichs symbolisch kund that, ist die außerordentlichste und prachtvollste Anlage, die von irgend einem Volke, oder zu irgend einer Zeit, von Menschenhand ausgeführt worden. Man denke sich einen Saal von 47,000 Quadratfuß Flächenraum, so groß, daß der Münster von Straßburg bequem hinein gestellt werden könnte, getragen von 134 Riesensäulen, jede so hoch, als die berühmte Trajanssaule in Rom. Die Decke ist aus Felsenwürfeln, von denen jeder fast 30 Fuß lang, über 8 Fuß breit und 4 Fuß dick ist, und 1400 Zentner wiegt, zusammengesetzt. Aus dem Saale leiten mehre Gallerien in das Innere; ein Labyrinth von Zimmern, Vorhallen, Pylonen, alle mit Säulen, Statuen und Obelisken auf das verschwenderischste geschmückt. In einem der inneren Höfe stehen die größten Obelisken der Welt; mit ihrem 8¼ Fuß hohen Sockel ragen diese Monolithen 100 Fuß empor; sie stehen 20 Fuß tief in Schutt und das Gewicht eines Jeden berechnet sich auf 8000 Zentner. Die äußern Wände aller dieser geheimnißvollen Anlagen sind – auffallend genug! – ohne allen Bilderschmuck. Alle Thürgesimse haben aber in der Mitte als Symbol eine beflügelte Kugel; und nur in den kleinern Räumen, die wahrscheinlich die eigentliche Wohnung des Königs bildeten, sind auf den innern Flächen schöne, mit Farben bemalte Basreliefs, Scenen des Familienlebens der Monarchen, eingegraben. Die Plafonds dieser Zimmer zieren goldene, auf azurblauen Grund gemalte Sterne.
Dieses Monument ist auch als eines der ältesten Thebens höchst merkwürdig. Sein Erbauer war Busiris II., und die Zeit seiner Gründung fällt um das Jahr 4500 vor Christo. Diese erstaunungswürdigen Ruinen sind folglich 6300 Jahre alt. –
Von dem großen Pallaste, dessen Reste den Raum einer vollen Stunde im Umkreise einnehmen, leitete eine Doppelreihe von Widdercolossen zum großen Tempel, dessen Trümmer unser Stahlstich veranschaulicht. –
Zwölf Thore mit prachtvollen Propyläen führten in dieß unermeßliche Gebäude, das Muster der großartigsten Architektur. – Aus dem Hauptthorweg hat man durch einen langen Säulenhof einen magnifiken COUP D’OEIL auf die Mittelpforte des Heiligthums, welche einen Pylon durchbricht. Hinter diesem folgt ein herrlicher Portikus, von 28 [35] Säulen getragen; er führte durch eine 50 Fuß hohe Flügelthüre von Erz in die Cella, einen länglich-viereckigen Gottessaal, mit kunstvollen Sculpturen prachtvoll ausgeziert. Sein Licht erhielt er durch die Decke, welche jetzt eingestürzt ist. Auch dieser Tempel ist über 6000 Jahre alt und von Busiris II. gebaut worden.
Wir aber schließen unsere dürftige Beschreibung mit den für unsere aufgeblähete Zeit passenden Worten Bossuets: „Die Ruinen der uralten Thebais scheinen nur deswegen noch vorhanden, um die Eitelkeit der Jetztwelt lächerlich zu machen, und den Ruhm ihrer größten Werke zu verdunkeln.“ –
Anmerkungen (Wikisource)
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