Zum Inhalt springen

Um die Erde. Zehnter Brief: Unter den Dacotahs

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Rudolf Cronau
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Um die Erde. Zehnter Brief: Unter den Dacotahs
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 364–368
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Traditionen und Bräuche der Sioux
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[364]

Um die Erde.

Von Rudolf Cronau.
Zehnter Brief: Unter den Dacotahs.

Weiß der geneigte Leser, was man „im fernen Westen“ der Vereinigten Staaten unter einer „Agentur“ versteht? Wenn nicht, so sei hier vorausgeschickt, daß „Agenturen“ im hier gedachten Sinne jene längs der gesammten Grenze der Civilisation sich hinziehenden, in der Regel mit einem Fort verbundenen Etappen bezeichnen, von denen aus die Regierung mit den halb oder ganz unterworfenen Indianerstämmen vorsichtige Fühlung unterhält, die erforderlichen Verhandlungen leitet, etwaige Bedürfnisse ihrer rothhäutigen Unterthanen bereitwillig befriedigt, nöthigenfalls aber auch eine plötzlich wieder hervorbrechende Thatenlust dieser zum Theile noch immer unverläßlichen Naturkinder in die gebührenden Schranken zurückweist. Einen jener Plätze hatte ich mir für mehrere Wochen zum Haupt- und Standquartier erkoren, und bildet derselbe somit den localen Hintergrund meiner diesmaligen Darstellung.

Der Scalp.  Die „große Medicin“.
Nach der Natur gezeichnet von dem Specialartisten der „Gartenlaube“ Rudolf Cronau.

Die „Standing Rock Agentur“, eng verbunden mit dem „Fort Yates“, liegt auf dem westlichen Ufer des Missouri und etwa sechszig Meilen südlich von der Stadt Bismarck auf einer Hochebene, die sich ungefähr siebenzig Fuß über den Fluß erhebt, eine freie Umschau über das umliegende Land gestattet und zu beiden Seiten des Stromes, der in gewaltigen Schlangenwindungen dem Süden zueilt, prächtige und malerische Scenerien bietet. Ein ziemlich hoher isolirter Bergkopf mit breitem Rücken steigt nördlich vom Fort empor; von seiner Höhe aus schweifen die Blicke bis zu jenen leicht gewellten und tafelförmigen Hügeln, die sich im Westen und Süden etwa fünf- bis siebenhundert Fuß hoch über den Spiegel des Flusses erheben. In der Entfernung weniger Meilen erblicken wir ringsum viele Hunderte von Indianerhütten, zu großen Lagern vereinigt. Im Norden liegen die Wigwams der schon länger der Agentur zugetheilten Stämme, im Süden und Südwesten aber leuchten die Zelte, in denen die erst vor Kurzem vom Kriegspfade heimgekehrten „hostiles“, die feindlichen Dacotahs, hausen. Zur Zeit meines Besuches im Fort Yates (September 1881) waren gegen sechstausend Indianer hier versammelt, sämmtlich jener mächtigen und kriegerischen Nation angehörig, die bis vor wenigen Jahren noch über ein ungeheures, das deutsche Reich an Größe übertreffendes Gebiet sich verbreitete, ein Gebiet, welches ganz Dacotah, Nordnebraska, Ostwyoming, Westminnesota und einen Theil der britischen Besitzungen umfaßte. Heute sieht sich dieses Volk nach langen und blutigen Kriegen größtentheils auf sogenannte „Reservationen“ beschränkt, von denen neun in Dacotah, eine in Montana und wiederum eine in Nebraska liegen. Diese Reservationen bezeichnen nämlich Länderstriche, die von der amerikanischen Regierung den Indianern als alleiniges und ausschließliches Eigenthum zuerkannt worden sind, während den Weißen die Ansiedelung auf diesen Gebieten verboten ist.

Die Dacotahs, zu Deutsch die „freundlich zu einander Gesinnten“, die „Verbündeten“ oder die „Sprachverwandten“ – bekannter sind sie unter dem bedeutungslosen französischen Namen der „Sioux“ – bilden eine Völkerschaft, deren Geschichte, Sitten, Ueberlieferungen und Gebräuche nur wenig und in keineswegs verläßlicher Weise erforscht worden sind. Abgeschreckt durch den kriegerisch-wilden Charakter und den üblen Ruf dieser Indianer, traten amerikanische und europäische Ethnographen nur in sehr vereinzelten Fällen mit ihnen in nähere Berührung, und diese Wenigen wiederum lernten zumeist nur kleinere Bruchtheile des einst so mächtigen Volkes kennen. So kam es, daß lange Zeit hindurch auch die Kopfzahl der Dacotahs stark unterschätzt wurde; man bezifferte dieselbe auf höchstens 10,000 Individuen, während sie sich in Wirklichkeit den neuesten Erhebungen zufolge noch gegenwärtig fast auf das Vierfache beläuft. Gleichzeitig repräsentirt das Volk einen außerordentlich stattlichen und wohlgebildeten Menschenschlag. Die äußere Erscheinung der Dacotahkrieger ist eine geradezu imponirende; kräftig gebaute Männergestalten von sechs Fuß Höhe und darüber sind durchaus keine Seltenheit, und ihre Bewegungen sind ungleich elastischer und graziöser, als die der meisten übrigen Indianerrassen. Gehoben werden diese körperlichen Vorzüge noch durch ein buntfarbiges und höchst malerisches Costüm; die grauen oder dunkelblauen „Blankets“ (wollene Decken) oder zur Winterszeit die prächtig bemalten Büffelfelle verleihen diesen ernsten und schweigsamen, an altrömische Senatoren erinnernden Gestalten einen Zug selbstbewußter, ich möchte sagen heroischer Würde. Energisch ist der Schnitt der Gesichter. Kühn springt die hochrückige Nase hervor; kräftig und breit sind Backenknochen und Kinn angelegt; das schwarze Haupthaar ist straff und lang und die Hautfarbe ein ausgesprochenes Kupferroth. Anstatt des immer seltener werdenden Rockes aus Thierfellen verhüllt ein baumwollenes Hemde, gestreift, carrirt, gewürfelt oder buntgeblümt, den Oberkörper der Männer, während die untere Bekleidung in einer den Leib umschließenden Binde besteht, durch welche ein vorn und hinten bis zur Erde niederfallender, häufig mit Stickereien verzierter, fußbreiter, rother oder blauer Tuchstreifen hindurchgezogen ist, der, frei zwischen den Füßen flatternd, einen ganz merkwürdigen Anblick gewährt. Die Beine sind mit engen, blauen oder rothen „Leggins“ (Beinkleider) bekleidet, die aber nur bis zur Mitte der Oberschenkel reichen und [365] den Sitz freilassen; an der Außennaht dieser Leggins steht noch ein breiter Streifen über, der mit Schellen, Kettchen, Perlen, Hermelinschwänzen oder erbeuteten Scalplocken reich verziert ist. Buntgestickte Mocassins und allerhand seltsame Verzierungen in mitunter sehr geschmackvoller Farbenzusammenstellung umschließen die Füße.

Das Haupthaar der Dacotahs ist in der Mitte des meist unbedeckten Kopfes getheilt, fällt glatt herunter und wird in dicke, durch Pelz- oder rothe Tuchstreifen zusammengehaltene Zöpfe gefaßt, die über die Brust herniederhängen. Die Scalplocke – das heißt die ebenfalls zu einem langen, aber dünneren Zopfe zusammengeflochtenen Wirbelhaare – wird von dem übrigen Haarwuchse scharf getrennt gehalten und außerdem noch durch Perlen- oder Roßhaarschmuck markirt; in ihr steckt auch die mächtige Feder des Kriegsadlers, von der weiter unten noch die Rede sein wird. Scheitel und Grenzlinie der Scalplocke sind mit Zinnober oder Oker gefärbt, und Ohrgehänge, aus Muschelstücken oder Ringen bestehend, Halsbänder und Brustschilde aus Knochen und Bärenklauen, blitzende Armspangen, prächtig gestickte Tabaksbeutel, der unerläßliche Pfeifensack, Scalpirmesser, Spiegel- und Farbentäschchen vervollständigen die Ausrüstung der Dacotahs.

Selbstverständlich jedoch unterliegt das hier geschilderte Costüm mannigfachen Variationen, namentlich insofern, als in Folge der Berührung mit den Bleichgesichtern allerhand hierherverschlagene Theile von Civilanzügen und Uniformen etc. bereitwillige Verwendung finden.

Weniger verschiedenartig und überhaupt einfacher als die der Männer ist die Bekleidung der Frauen. Sie besteht der Regel nach in einem langen, bunten Hemde mit kurzen, sehr weiten und offenen Aermeln. Die Beine der Schönen im Dacotahlande sind ebenfalls in kurze, nur bis zum Knie reichende, meistens reichgestickte Leggins von Leder, rothem oder blauem Tuche eingehüllt, während ein handbreiter mit Kupfernägeln beschlagener Ledergürtel, von dem die unvermeidlichen Farbentäschchen, Messer und ähnliches Ziergeräth herunterhängen, die Taille umschließt. Die Bemalung des Gesichts wie des Scheitels ist dieselbe wie bei den Männern, und ebenso tragen auch die Weiber jene oben erwähnten bunten Blankets oder Decken. Ihre Ohren aber werden leider nicht selten durch fußlange Gehänge aus Knochen, Ringen oder Muschelschalen verunstaltet, deren Gewicht die Ohrläppchen oft bis auf die Schultern herabzieht.

Bemalte Büffelhaut des Dacotah-Indianers „Langer Hund“, ihn selbst auf dem Frauen- und Pferdediebstahl darstellend.
Nach der Natur gezeichnet von dem Specialartisten der „Gartenlaube“ Rudolf Cronau.

Hiervon abgesehen, begegnet man wie unter den Indianerinnen überhaupt, so auch unter den Dacotahweibern, und vornehmlich unter den jungen Mädchen zwischen zehn und achtzehn Jahren, vielen hübschen und interessanten Gesichtern, und sehr wohl vermag eine solche wilde Schönheit, angethan mit ihrem vollen, eigenthümlichen Schmuck, das Wohlgefallen des Europäers, ja selbst die Bewunderung eines künstlerisch geschulten Auges zu erregen; denn das blitzende dunkle Auge, die blendend weißen Zähne, das volle tief schwarze Haar, die stolz gebogene Nase, die üppigen und doch anmuthigen Formen bedeuten ebenso viele gefährliche Reize, um so gefährlicher, wenn dieselben durch ein bestechendes Costüm gehoben werden, das ja einer wirksamen und pikanten Farbenzusammenstellung meistens nicht ermangelt.

Vornehmlich an den sogenannten „Rationstagen“, welche vom Vorstande der Agentur je nach Bedürfniß wöchentlich, zweiwöchentlich, mitunter auch wohl täglich abgehalten werden, ist vollauf Gelegenheit geboten, das Leben und Treiben der Indianer zu studiren, da an solchen Tagen die gesammte Bevölkerung der Lager in Schaaren herbeiströmt, um aus der Hand des Agenten die Gaben in Empfang zu nehmen, die „der große Vater in Washington“, das heißt die Regierung der Vereinigten Staaten, zu ihrem Unterhalte gespendet.

Vom frühen Morgen bis zum sinkenden Abend ist dann die Umgebung der Agentur der Schauplatz des buntesten Gewühles; ganze Wagenburgen, viele Hunderte von Karren umlagern die Zugänge zu den Gebäuden, und überall ertönt Geklingel, Geschwätz, Gelächter und Pferdegewieher. In malerischen Gruppen hocken die Rothhäute, die Pfeifen kreisen lassend, rings auf den Hügeln; hier sprengt ein Häuptling, roth wie ein Pandur, und seine reich geschmückte „Squaw“ (Gattin) vor sich im Sattel, auf flinkem Pony heran; dort kichern und schäkern dichtgedrängte Mädchengruppen; dazwischen schreiten würdevoll indianische Redner durch die Menge, mit weithin hallender Stimme Gott weiß welches Thema behandelnd. [366] Wohin man blickt, überall buntes, farbenprächtiges Leben und kindliche Fröhlichkeit der Rothhäute, und während Männer wie Weiber sich geschäftig mit Säcken und Fässern, Kisten und Kasten schleppen, bewachen sogenannte Indianerpolizisten die Zugänge zu dem Ausgaberaum, in welchen die Wilden truppweise nach einander eingelassen werden, um hier von den mit geladenen Revolvern ausgerüsteten Beamten ihr Zukömmliches zu empfangen. Diese Indianerpolizei, welche im Dienste der Regierung steht, rekrutirt sich aus den verschiedensten Indianerstämmen und bildet den Schrecken aller roth- und weißhäutigen Uebelthäter; ihre erfolgreich bewährte Einführung verdankt sie unserem deutschen Landsmanne Karl Schurz.

Ein anderes, im Sommer allmonatlich zweimal wiederkehrendes freudiges Ereigniß ist der „Schlachttag“ oder, wie man in Leipzig sagen würde, das „Schlachtfest“. Bringt ein solches schon unter civilisirten Völkern eine gewisse frohbewegte Stimmung mit sich, so ist dies in ungleich stärkerem Maße bei diesen Naturkindern der Fall; alles ist an solchem Tage in rosigster Laune, und Männer wie Weiber prangen in festtäglichem Schmuck.

Als ich zu dem einige Meilen vom Fort entfernten Schlachtplatze hinausfuhr, fand ich den Agenten und seine Beamten noch mit dem Wiegen des Viehes beschäftigt. Gegen zweihundert Stück Kühe und Ochsen befanden sich in einem weiten, aus schweren Holzstämmen gezimmerten Kraale eingepfercht und gleich Hyänen hockten die Indianer rings um die Plankenzäune, ruhig, ich möchte sagen: teuflisch ruhig der Dinge harrend, die da kommen sollten. Nur in ihren zuckenden Muskeln und funkelnden Augen spiegelte sich die gierige Erwartung des Momentes, da man ihnen die Thiere überantworten würde. Endlich – nach mehrstündigem Wiegen der Thiere – nahte der große Augenblick heran; die indianischen Polizisten stellten sich rings an der Außenseite des Kraales auf, um gleichzeitig von allen Seiten in die zitternde, zusammengedrängte Heerde hineinfeuern zu können. Zuerst ertönte ein einzelner Schuß, und in dumpfem Falle stürzte ein mächtiger Ochse, sich in seinem Blute wälzend, lautlos zusammen; bald aber knatterten von links und rechts, von hüben und drüben ganze Salven, die stöhnenden und zusammenbrechenden Thierleiber häuften sich mehr und mehr, und binnen Kurzem war der ganze Raum mit um sich schlagenden, blutenden, zuckenden, röchelnden Körpern bedeckt.

Endlich war Alles vorüber; die zweihundert Stück todten Viehes lagen in großen Lachen Blutes neben, über, quer durch einander hingestreckt, und jetzt kletterten allenthalben dunkle Gestalten wie Panther an den Plankenzäunen des Kraales empor und sprangen auf der andern Seite in den Innenraum hinunter. Mit großer Geschicklichkeit wurden zunächst vermittelst weniger Schnitte die Zungen der Thiere aus den Hälsen gelöst und an Stäben aufgereiht; dann ging es an das Zerlegen der leblosen Körper selbst. Eine halbe Stunde lang hörte man nichts als das Krachen der zerschlagenen Knochen, sah man nichts als tausend rührige Hände, blanke Messer und geschwungene Beile; dann war die wilde Metzgerei beendigt, das Fleisch in Stücke zerschnitten und den Ponys und Squaws aufgeladen. Alles wurde fortgeschleppt, nichts, gar nichts blieb übrig außer den Knochen und den nicht verwendbaren Eingeweiden. Schwer beladen mit der bluttriefenden Last keuchte Jung und Alt den Zelten zu, um dort einen Theil des Fleisches in lange, dünne Streifen zu zerlegen und diese, über Stäbe gehängt, an der Sonne zu dörren; die Häute der Thiere aber wurden von den Indianern zum Preise von 3½ Dollars pro Stück an amerikanische Händler losgeschlagen.

Binnen Kurzem lag die Stätte, die soeben noch ein Bild wildbewegten Treibens dargeboten, wieder öde und leer da, und in den Nachmittagsstunden sammelten sich in den Lüften Schaaren von Aas- und Raubvögeln, um an den spärlichen blutigen Ueberresten ihren Hunger zu stillen; in den indianischen Lagern aber herrschte für die nächsten Tage heller Jubel; die Schmausereien währten vom Morgen bis zum Abend, und das Dröhnen der zum Tanze rufenden großen Trommeln drang zu uns herüber bis nach Mitternacht.

Was übrigens so ein indianischer Tanz, oder besser so ein ganzes rothhäutiges Ballfest zu bedeuten hat, das muß man gesehen haben – beschreiben läßt es sich nicht. Hier hört der Begriff des Phantastischen auf, und der des Fratzenhaften, des Satanischen tritt an seine Stelle. Scheußlich bemalte Körper, dämonisches Geschrei, verzerrte Gesichter, unheimlich sprühende Augen, weitgeöffnete Nüstern, fletschende Zähne, tobsüchtige Gesticulationen der Glieder – es ist ein Bild, als hätten tausend Höllen ihre Insassen ausgespieen, und schaudernd begreifen wir, warum Soldaten und Officiere der amerikanischen Armee im entscheidenden Augenblicke sich lieber selbst den Tod geben, als daß sie sich lebendig den Händen solcher bemalten Teufel überantworten.

Frühzeitig schon spielen Liebe und Heirath ihre Rolle im Leben der Indianer. Hat ein Dacotah-Jüngling sein Herz an eine der Schönen seines Stammes verloren, so hält er sich nicht viel mit überflüssigen Redensarten auf; die bei civilisirten Völkern so beliebte Sitte des „Süßholzgeraspels“ ist noch nicht bis hierher vorgedrungen. Schweigend betritt der Dacotah den Wigwam seiner Angebeteten; schweigend läßt er sich, kleine Geschenke bietend, neben ihr nieder; schweigend geht er von dannen. Nur von Zeit zu Zeit läßt er sich herbei, in stiller Nacht vor ihrem Zelte die „chotunka“ (eine Art Flöte) zu blasen oder einen selbstcomponirten Singsang zum Besten zu geben, durch welchen, mag der Vortrag auch noch so mangelhaft sein, die Schöne zumeist derartig gerührt wird, daß sie sich vom Feuer ihres Wigwams hinwegstiehlt, um in den Armen des Geliebten ein Schäferstündchen zu verträumen.

[„]Jung gefreit, hat nie gereut“ – dieser Spruch gilt, wie bei uns, so auch bei den Kindern der amerikanischen Steppe. Das junge Volk schließt seine Ehebündnisse schon bald nach dem zwölften und bis zum zwanzigsten Lebensjahre; Hagestolze und alte Jungfern existiren nicht, und Wittwer und Wittwen suchen so bald als möglich in eine neue Ehe einzutreten. Vielweiberei ist gang und gäbe, und zwar heirathen die Männer in der Regel ein Weib nach dem andern, mitunter aber auch zwei, drei oder vier auf einmal, wobei es den schon vorhandenen oder überzähligen passiren kann, von ihrem Herrn und Gebieter ausrangirt, das heißt anderweit veräußert zu werden.

Da der Weiberdiebstahl zu den erlaubten noblen Passionen gehört, so bringen es manche Krieger zu einer Frauenliste, welche diejenige weiland Don Juan’s beinahe erreicht. So hatte z. B. mein Freund Sunka Wanjila („der lange Hund“) laut der auf einer Büffelhaut von ihm selbst abconterfeiten Lebensgeschichte (vergl. Abbildung, S. 365) im Laufe der Zeit nicht weniger denn dreiundzwanzig Weiber zusammengestohlen, deren Namen freilich dem Gedächtnisse des Wackeren entfallen waren und deren Persönlichkeiten er sich nur noch je nach der verschiedenen Farbe ihrer Blankets zu erinnern vermochte.

Hat sich der Dacotah nicht durch Raub eines Weibes von einem Nachbarstamme zu helfen gewußt, so bleibt ihm nichts übrig, als ein solches zu kaufen. Der Preis eines Mädchens beträgt durchschnittlich ein bis drei Ponys, in baarem Gelde zwanzig bis fünfzig Dollars. Ein Weißer in Fort Randall erstand seine rothhäutige Ehehälfte sogar für ein Bund Heu.

Sonderbar ist übrigens die bei den Yanktonnai-Sioux herrschende Sitte, wonach zunächst nicht dem Vater, sondern dem ältesten Sohne das Recht des Verkaufes der „Töchter des Hauses“ zusteht. Erst, wo ein solcher nicht existirt, tritt das Veräußerungsrecht des Vaters in Kraft. Priester haben in Heirathssachen absolut Nichts zu sagen; denn die Einwilligung zur Eheschließung wird einfach durch Uebersendung des Preises der Frau eingeholt, und wird letzterer angenommen, so gilt damit der Handel und zugleich ohne weitere Ceremonie die Heirath für abgeschlossen; wenn nicht, so werden die dargebotenen Gegenstände zurück gesandt.

Entschieden falsch oder wenigstens sehr übertrieben scheint mir die in Reisebeschreibungen häufig wiederkehrende Behauptung, als sei das Weib des Indianers nur das Lastthier des Mannes; denn den Männern liegt nicht nur die Vertheidigung des Lagers, die Versorgung der Familie mit Nahrung und Wild, die Anfertigung der Waffen und häuslichen Geräthe ob, sondern bisweilen helfen sie auch den Frauen bei der Einbringung der Feldfrüchte. Andere häusliche Arbeit zu verrichten, wird, in Gemäßheit der Tradition: „Der große Geist schuf die Männer, um zu jagen und die Weiber zu beschützen, alles Uebrige ist Frauenwerk“, allerdings als des freien Kriegers unwürdig betrachtet. Aber trotzdem giebt es in einer Indianerhütte nicht allzu Schweres für die Weiber zu thun; sie haben Holz und Wasser herbeizuschaffen, die Häute und das Fleisch zuzubereiten, die Kleider anzufertigen und die Hütte aufzuschlagen, daneben aber bleibt ihnen vollauf Zeit und Muße zur Herstellung ihrer schönen und eigenthümlichen Stickereien aus Perlen und Stachelschweinsborsten, welche im [367] Verkehr mit den Weißen einen lebhaft begehrten Handelsartikel bilden. Die Lage einer Dacotah-Gattin ist also keineswegs eine unerträgliche, und vielleicht wäre manche Europäerin, der die Erhaltung eines nichtsnutzigen oder arbeitsscheuen Eheherrn obliegt, herzlich froh, mit jenen besser situirten Indianerinnen tauschen zu können.

Befindet sich der Dacotah auf dem „Kriegspfade“, so ist er auf die Erbeutung feindlicher Scalpe versessen, wie der Gottseibeiuns auf eine arme Seele. Die verschlagensten Schliche, die wüthendsten Anfälle auf den Gegner setzt er in Scene, um sich dieses höchste, werthvollste Triumphzeichen des Siegers zu erringen. Wenn der Dacotah seinen zusammenbrechenden Feind erreicht hat, so setzt er ihm den Fuß auf die Brust, windet das Haar des Erlegten um die linke Faust, trennt mit dem Scalpmesser im Nu die ganze Kopf- und obere Gesichtshaut bis zu Nase und Augen herunter und reißt mit einem einzigen gewaltigen Ruck den ganzen Schopf vom Schädel. Ist die Gewinnung eines Scalpes mit großer Gefahr verbunden oder äußerste Eile geboten, so wird nur ein Theil der Kopfhaut abgeschnitten, unter Umständen sogar nur ein Büschel Haare ohne Haut.

Ich selbst besitze z. B. eine lange, geflochtene Scalplocke, die mit scharfem Schnitte dicht über der Haut abgetrennt worden ist. Der Häuptling, welcher mir dieselbe als höchstes Zeichen seiner persönlichen Gunst verehrte, berichtete mir, daß er bei ihrer Erbeutung nicht weniger als sieben Pfeilschüsse erhalten und nahezu selbst scalpirt worden sei.

Der eroberte Scalp wird zunächst sorgfältigst gegerbt und sodann während des nächtlichen Scalptanzes bei loderndem Feuer unter Beobachtung verschiedener Ceremonien feierlich geweiht. Wie unsere Abbildung zeigt, ist er bei dieser Gelegenheit auf einen an einem Stabe befestigten Reifen aufgespannt und mit allerhand Zierrathen und Curiositäten ausstaffirt. Ueberhaupt werden diese Scalpe als das höchste Heiligthum der Indianer betrachtet, und sie prangen, in viele einzelne Locken zerlegt, als Schmuck an den Säumen der Gewänder oder an den Kriegswaffen; bei besonderen Festlichkeiten erblickt man sie auch wohl am Gürtel der Tänzer, oder sie flattern, neben einander gereiht, an den langen Scalpstangen, die bisweilen auf Befehl des Häuptlings an schönen Tagen vor den Wigwams aufgepflanzt werden, um die Thaten und den Ruhm der siegreichen Geschlechter zu verkünden.

Ein fernerer, jedoch nur den Häuptlingen zukommender kriegerischer Schmuck sind die bekannten prächtigen Adlerfederkronen und die als Fächer benützten Adlerflügel. Beide Gegenstände bilden den köstlichsten und werthvollsten Bestandtheil ihres Costüms, und nur in den seltensten Fällen entschließt sich ihr Besitzer, sie Fremden als ein Zeichen ganz besonderer Hochachtung zum Geschenke zu machen. Wird eine einzelne Adlerfeder schon mit ein bis eineinhalb Dollar bezahlt, so steht ein vollständiger Kopfschmuck dem Werthe von zwei bis drei Pferden oder der Summe von zweihundert bis zweihundertfünfzig Mark, ein zu einem Fächer verarbeiteter Flügel aber dem eines Pferdes oder der Summe von hundert Mark gleich. Beide Stücke werden um deswillen so hoch geschätzt, weil erstens die Kriegsadler sehr selten geworden und zweitens die Jagd auf dieselben eine äußerst langwierige und beschwerliche ist.

Dem Umstande, daß ich auf Grund meiner Malerkünste von den Indianern für einen großen Wundermann gehalten wurde, verdanke ich eine ganze Reihe kostbarer Geschenke, unter denen eine prachtvoll bemalte Büffelhaut, zwei schöne Adlerflügel und zwei „Medicinbeutel“ die bemerkenswerthesten sind. Letztere stehen bei den Wilden derartig im Geruche der Heiligkeit, daß sie sich fast nie von ihnen trennen. Der Medicinsack ist nämlich eine Art Amulet, welches den Träger desselben vor bösem Blick und überhaupt vor allen bösen Geistern schützen und ihm im Gewühle des Kampfes Kraft und Stärke verleihen soll. Die Herstellung dieses Amulets bedeutet einen Markstein im Leben der Rothhaut; denn nur einmal darf die „Medicin“ angefertigt werden, und umfassende Vorbereitungen sind dazu erforderlich. Der junge Indianer verläßt zu diesem Zwecke den väterlichen Wigwam und verbringt vier bis fünf Tage, ohne seinen Durst zu löschen, ohne Nahrung zu sich zu nehmen, in der Einsamkeit der Wälder. Auf dem Erdboden ausgestreckt, richtet er seine Gebete zum großen Geiste, auf daß dieser ihm den wohlthätigen Genius zeige, der zum Schutzengel seines Lebens bestimmt sei. Das erste Thier nun, welches ihm in seinen Träumen erscheint, versinnbildlicht diesen guten Geist; wohlgemuth springt der Jüngling auf, kehrt in das Lager zurück, stillt Hunger und Durst und durchstreift dann die Wälder, um eines Exemplars der fraglichen Thierspecies habhaft zu werden. Früher oder später gelingt es ihm, den Biber, die Schlange, den Vogel, die Maus, oder welches Thier sonst er im Traume gesehen, aufzufinden und zu erlegen. Der glückliche Jäger streift ihm die Haut ab, füllt dieselbe mit Gras oder Moos, schmückt den Balg mit Perlen und Federn und trägt ihn bei sich für das ganze Leben. Niemals wird die „Medicin“ geöffnet, nie verkauft, nie verschenkt, und stirbt ein Indianer, so wird seine „Medicin“ mit ihm begraben; mit einem Worte: ein Medicinsack ist etwas Unbezahlbares, und wer ihn verliert, fällt in Unehre bei dem ganzen Stamme, weil er dasjenige nicht zu bewahren gewußt, was der große Geist selbst ihm gegeben. Einzig dadurch vermöchte er sein Ansehen wieder herzustellen, daß er die erbeutete „Medicin“ eines mit eigener Hand erschlagenen Feindes aufzuweisen im Stande wäre.

Nicht zu verwechseln mit dem soeben besprochenen Medicinbeutel ist übrigens die sogenannte „große Medicin“, die an einer vor jedem Wigwam aufgerichteten Stange befestigt ist. Letztere besteht aus allerhand Lappen, Otterfellen etc., oder sie stellt auch ein aus Büffelleder gefertigtes köcherartiges Behältniß dar, in welchem seltsamer Krimskrams, wie Wolfsknochen, mit sonderbaren Hieroglyphen bemalte Tuchfetzen etc., aufbewahrt wird. Auch diese „große Medicin“ soll durch ihren wohlthätigen Zauber alle bösen Einflüsse vom Zelte fern halten.

Sind sonach die Dacotahs keineswegs frei von abergläubigen Vorstellungen, so erscheinen sie doch unverkennbar zugleich auch als ein Volk von zwar naivem, aber immerhin lebhaftem religiösem Bewußtsein. Sie glauben an Wakan-tanka, den Herrn des Lebens, den allmächtigen Erhalter und Beschützer aller Dinge, der zu gut ist, um ihnen irgend welchen Schaden zuzufügen, zu dem jeden Morgen und jeden Abend als Opfer der Rauch der Pfeife emporsteigt. Gleichwohl opfern sie freilich auch dem bösen Geiste, Wakan-schecha, um ihn milde für sich zu stimmen; sie fürchten ihn, da er ihnen Unheil verursacht, ihren Weibern die Köpfe verdreht, das Wild verscheucht und die Pfeile ihrer Feinde lenkt. Sie fürchten auch seine Abgesandten, die Dämonen, die auf allen Wegen sie umschweben. Wasser, Wälder, Felsen, Luft und Gras sind angefüllt mit solchen unheimlichen Mächten, deren Waffen die Blitze sind, mit denen sie rings um die Erde schießen können. Sie glauben ferner an einen Riesen, Ha-o-kuh, welcher tödten kann mit einem Zucken seiner Augenwimpern. Hoch in den Lüften, weit außerhalb des menschlichen Gesichtskreises, schwebt der Donnervogel, und auf seinem Rücken trägt er einen See frischen Wassers. Ist der Vogel zornig, so verursacht das Schlagen seiner Flügel den Donner und die Stürme; zuckt er mit den Augen, so fährt ein Blitzstrahl hernieder, und bewegt er gleichzeitig Schwanz und Flügel, so fließt der See über und es regnet auf der Erde. In der kalten Jahreszeit ist der Wald bedeckt mit den von der Federbekleidung abgetröpfelten Eiszapfen, und wenn der Himmel klar und heiter ist, so weilt der Vogel in weiter Ferne, um seinen Jungen Nahrung zu bringen.

Gegen die Lehren der christlichen Religion haben die Dacotahs bisher entschiedene Abneigung an den Tag gelegt. Ein alter Häuptling drückte mir seine Ansicht über das Christenthum in folgenden Worten aus:

„Eure Schwarzröcke sagen: daß nur ein Weg sei, den großen Geist zu verehren und ihm zu dienen. Sie sagen, Euer Glaube sei der wahre, wir aber wandelten auf falschen Wegen. Wir hörten, daß Euer Glaube geschrieben sei in einem Buche, und daß alle Bleichgesichter dieses Buch lesen könnten. Wenn nun aber nur ein Glaube der richtige sein soll, wie kommt es, daß die Bleichgesichter, die doch Alle jenes Buch lesen, unter sich uneins sind? Warum streiten sie wider einander? Und wenn Euer Glaube auch für uns bestimmt sein soll, warum gab der große Geist jenes Buch nicht auch uns oder unseren Vorfahren? Wakan-tanka thut recht: er lehrte unsere Väter dankbar zu sein für die Gaben, welche wir empfangen; er lehrte uns, einig zu sein und einander zu lieben, aber er gab uns nicht Euer Buch. Wir streiten uns niemals um unseren Glauben; wir sind zufrieden. Es wäre albern und schändlich zugleich, wollte ich einen Glauben wechseln, den ich von meinen Vorfahren ererbt habe. Die Religion der Weißen ist nicht gut. Als Gott auf Erden kam, hing ihn der [368] weiße Mann an einen Baum und tödtete ihn. Wir thun das nicht. Wir ehren den großen Geist, und wir sehen ihn in der Sonne, welche niemals stirbt.“ –

Ein günstiger Zufall wollte, daß ich dem großartigen Pau-wau, das heißt dem Friedensconcile beiwohnen durfte, in welchem Mac Laughlin, der an Stelle des abgehenden bisherigen Agenten neu eintretende Beamte, sich den versammelten Dacotahhäuptlingen vorstellte.

Auf den 6. October 1881 anberaumt, war dieses Concil das weitaus zahlreichste und wichtigste von allen, die seit Jahren abgehalten worden. Um ein Uhr Mittags war fast die gesammte Bevölkerung der benachbarten Indianerlager auf dem Berathungsplatze versammelt; denn mehr als tausend Krieger saßen hinter ihren Häuptlingen rings im Kreise, während eine noch weit größere Anzahl von Weibern und Kindern außerhalb des Ringes stand.

Die wilde Größe des nun beginnenden Schauspiels ist kaum zu beschreiben. Da saßen sie, die unheimlichen Gebieter der Prairie, dieselben, die einst den tapfern General Custer zu Boden geworfen. Jedes Gesicht war bedeckt mit bunten Farben; jede Gestalt prangte im vollen Kriegerschmuck; von allen Köpfen ragten die mächtigen Adlerfedern empor; jeder Arm hielt die todbringenden Waffen, den Tomahawk, die Kriegskeule, den Speer oder das Scalpirmesser, fest umschlungen. Alles verharrte in tiefstem Schweigen; keine Miene verziehend, bronzenen Statuen gleich, standen oder saßen die Rothhäute auf den ihnen angewiesenen Plätzen.

Alle Großen waren versammelt. Nur Einer grollte und hielt sich fern. Seitab von der Versammlung hielt Ite-o-magayu („Regen im Gesicht“), in eine blaue Decke gehüllt, unbeweglich auf seinem Gaule. Er galt allgemein für den am meisten verrätherisch und kriegerisch gesinnten aller Häuptlinge, und man sagte ihm nach, er habe nach Beendigung des furchtbaren Custer-Massacres am Little Horn River das Herz und die Leber Thomas Custer’s, eines Bruders des Generals, gekocht und gegessen.

Als ich in Begleitung eines Dolmetschers und eines New-Yorker Zeitungscorrespondenten mich dem wilden Krieger näherte, beantwortete er die Frage, ob er sich nicht an der Berathung betheiligen wolle, mürrisch und finster mit folgenden Worten: „Die Narrenspossen (‚the joke‘), die der Große Vater in Washington mit uns treibt, sind entwürdigend. Ich bin ein Häuptling und Krieger. Wakan-tanka, der Große Geist, wird sorgen und wachen über mein Volk. Ich mag nicht behandelt werden gleich einem Ochsen oder einem Kinde. Das Land, in welchem meine Väter lebten und in dem ich geboren ward, ist angefüllt mit Büffeln und vielem andern jagdbaren Wild, ich aber bin gezwungen, hier zu leben gleich einem Weibe, während die Bleichgesichter jagen dürfen nach Herzenslust. Ich bin ein Krieger und werde nicht auf eine Farm gehen, so lange ich eine Möglichkeit sehe, durch die Jagd mein Leben zu fristen. Ich liebe nicht die Männer, die der Große Vater zu uns sendet; ihre Zungen sind krumm; sie sind meine Feinde. Blumen entsprießen ihrem Munde, während ihre Herzen angefüllt sind mit Haß und sie mein Volk um sein Recht betrügen. Sie versprachen mir, ich solle ein Gespann Pferde, Vieh und Wagen bekommen, aber sie haben mich zum Narren gehalten.“

Mit diesen Worten stieß er seinem Pony die Fersen in die Rippen und sprengte davon, den Tomahawk mit der nervigen Faust fester umschließend. Mittlerweile hatte sich der neue Agent eingefunden und die Verhandlungen des Pau-wau konnten beginnen. Dreißig mit scharfgeladenen Büchsen bewaffnete Indianerpolizisten waren vorsichtshalber an verschiedenen Punkten des Kreises postirt, und wirklich ließen die mehrere Stunden währenden Verhandlungen, bald von beifälligem „Hau, hau“ („Bravo“), bald von unwilligem Murren unterbrochen, mitunter an Erregtheit Nichts zu wünschen übrig. Endlich aber war alles glücklich vorüber; der Agent versprach, die Wünsche der Häuptlinge betreffs Ländereien, Jagden, Häusern, Waffen, Pferden, Kleidern etc. dem Großen Vater in Washington „zu unterbreiten“, und als er hieran die Mittheilung knüpfte, er werde zur Feier des Tages eine Extra-Ausgabe von Rationen vertheilen lassen, da waren alle wenn auch noch so begründeten Beschwerden der Indianer plötzlich vergessen, und der wilde Jubel der Naturkinder kannte schier keine Grenzen.

Und die Zukunft der Dacotahs? Vielleicht sind die vorstehenden Zeilen die letzten, welche das interessante Volk in seinen nur noch mühsam bewahrten Eigenthümlichkeiten darstellen. Mit rapider Schnelligkeit geht es mit ihnen, wie mit allen schon früher erloschenen Indianerstämmen, zu Ende; auch ihnen, den tapfersten, zähesten und widerstandsfähigsten von allen, bringt die unaufhaltsam vorschreitende Civilisation den unvermeidlichen Tod. Schon verlernen die Dacotahs den Gebrauch von Schild, Speer und Lanze; schon haben sie viele ihrer althergebrachten Gebräuche aufgegeben. Ihre malerischen Costüme aus Hirschhaut werden vertauscht mit Gewändern, welche die Regierung ihnen liefert; ihre an poetischer Schönheit so reichen Sagen und Ueberlieferungen vermischen sich mehr und mehr mit den Historien der Bleichgesichter oder den Erzählungen der Bibel und gehen, unaufgezeichnet, ewiger Vergessenheit entgegen. Ist das jetzt noch lebende Geschlecht in’s Grab gestiegen, so wird die Fluth der Civilisation auch über dieses Volk hinweggerauscht und hiermit die Menschheit abermals um eine ethnographische Specialität ärmer geworden sein. So will es die Geschichte.