Ungelehriger Zögling
[386] Ungelehriger Zögling. (Zu dem Bilde S. 373.) Es muß doch auch von Logik, Grammatik und Arithmetik etwas verstehen, das Herrensöhnchen, das gehört zum guten Ton und ist einmal so Sitte. Also muß der würdige Beichtvater des gräflichen Hauses das schwierige Amt übernehmen, dem Jungen neben den Lehren des Glaubens auch noch die Anfangsgründe der Wissenschaft beizubringen, denn weit umher ist der geistliche Herr der einzige Vertreter der höheren Gelehrsamkeit. Und es scheint auch, als ob er das bleiben sollte. Denn sein vornehmer Zögling zeigt nicht die mindeste Veranlagung für feinere Gedankenarbeit; der sieht ihm nur mit gutmüthigem Lächeln verständnißlos ins Gesicht, verständnißlos für seine Weisheit und verständnißlos für seine fürchterliche Erregung, als wollte er sagen: „Warum denn so heftig? Es thut doch gar nichts, wenn ich das nicht behalte!“
Und wenn wir genauer zusehen, so können wir uns über den Standpunkt des Jungen nicht einmal so sehr wundern. Die üppige Umgebung des Reichthums, die ihn umschmeichelt, läßt den Glauben an die Nothwendigkeit ernster Arbeit nicht in ihm aufkommen. Das weiche Kissen, auf das er seine Füße setzt, der bequeme Stuhl, in den er sich zurücklehnt, sie sind ein Sinnbild seines Daseins – also wozu sich noch anstrengen? Er kennt den Ernst des Lebens noch nicht und will ihn nicht kennen; es ist ja so lustig auf der Welt! Freilich, stellen wir uns vor, daß der Ernst doch einmal an ihn herantreten werde, da wird er ihm gerade so hilflos gegenüberstehen wie den logischen Entwickelungen seines Lehrmeisters, aber das vergnügliche Lächeln wird verschwunden sein von den weichlichen Lippen! =