Vehmgerichte und Hexenprozesse in Deutschland/Dritter Abschnitt. Wasserprobe und Nadelprobe
Wenn nun solche „Anzeigen“ gegen eine Person vorlagen, so konnte gegen sie auf Folter erkannt werden. Häufig aber unterzog man sie vorher noch der „Wasserprobe“. Sie wurde entkleidet, darauf kreuzweis gebunden, so daß die rechte Hand an die große Zehe des linken Fußes und die linke Hand an die große Zehe des rechten Fußes fest geknüpft war und sie sich nicht rühren konnte. Darauf ließ sie der Henker an einem Seile in einen Fluß oder Teich dreimal hinab. Welche nun in solcher Positur oben schwammen, die wurden für Hexen gehalten und von dem Wasser, wenn sie nicht durch freiwilliges Bekenntnis zuvorkamen, an die Tortur gebracht.
[137] Diese Wasserprobe stützte man bald auf die Meinung: daß den Hexen vom Teufel eine spezifische Leichtigkeit des Körpers verliehen sei, welche sie nicht untersinken lasse, bald auf den Satz: das Wasser nehme die nicht in seinen Schoß auf, welche das Taufwasser – bei der Lossagung vom christlichen Glauben – von sich geschüttelt hätten.
Oft aber wurde erhoben, wie der Henker boshafterweise die Unglückliche in der Art an seinem Seil über dem Wasser gehalten hatte, daß sie nicht sinken konnte. Und die medizinische und philosophische Fakultät zu Leiden gab ihr Gutachten schon unter dem 9. Januar 1594 dahin ab, daß die Wasserprobe in keiner Weise als Beweismittel gelten könne; denn, daß die angeblichen Hexen so oft auf dem Wasser schwämmen, erkläre sich aus der Art, wie sie kreuzweise gebunden ins Wasser gesenkt würden, indem sie auf dasselbe mit dem Rücken wie kleine Schiffchen zu liegen kämen.
Gleichwohl brachte man dies „Hexenbad“ mit Vorliebe fortwährend, oft vor Hunderten von Zuschauern, gegen halbwegs Verdächtige in Anwendung.
Bürgermeister und Schöffen der Stadt Herford ließen (1627-31) eines Morgens über [138] 30 Weiber, welche der Zauberei bezichtigt worden, aus ihren Betten aufs Rathaus holen, wo ihnen die Wasserprobe angekündigt wurde. Sofort wurden sie vom Nachrichter gebunden aufs Wasser geworfen und, da sie oben schwammen, festgenommen und auf die Tortur gebracht. Nachdem man durch Pein und Martern Bekenntnisse erlangt, wurden sie sämtlich vor das peinliche Halsgericht gestellt, zum Feuertode verurteilt und verbrannt.
Eine andre Probe, die in der Regel mit der Verdächtigen vorgenommen wurde, ehe man zu Anwendung der Folter schritt, mitunter auch, wenn sie auf der Folter standhaft geblieben war, hieß die Nadelprobe oder das Aufsuchen eines Hexenzeichens am Körper der Angeschuldigten.
Man glaubte nämlich, am Körper einer wirklichen Hexe gebe es Stellen, welche gefühllos seien und kein Blut enthalten, so daß, wenn mit einer Nadel hineingestochen werde, die Hexe es nicht fühle und kein Blut fließe. Die Angeschuldigte wurde daher dem Henker übergeben, welcher an ihrem ganzen Körper nach einem solchen Hexenstigma sucht und mit der Nadel in jede ihm auffallende Stelle (Muttermale, Leberflecken, Narben u. drgl.) sticht, um zu erproben, [139] ob Blut fließe. Dabei kam es häufig vor, daß der Untersuchende boshafterweise statt mit der Spitze, mit dem Knopf der Nadel auf die Stelle drückte und nun diese für ein Hexenzeichen erklärt wurde; oder daß er sich nur stellte, als ob er steche, und darauf rief, er habe das Zeichen gefunden, die Stelle sei unempfindlich und es fließe kein Blut.
Nun war es über allen Zweifel erhaben, daß dieses Malzeichen der Angeklagten vom Teufel aufgedrückt worden sei, als Besiegelung des mit ihm eingegangenen Bündnisses, daß sie also wirklich eine Hexe sein müsse. Daraufhin mußte gefoltert werden, bis sie sich zum Geständnis aller für den Untersuchungsrichter vornherein unzweifelhaften Thaten herbeiließ.
Häufig wurde der Prozeß schon mit dem Aufsuchen des Hexenzeichens eröffnet. Auf bloßes „Besagen“ oder irgend einen andern Verdachtsgrund hin wurden Frauen und Mädchen festgenommen und vom Scharfrichter auf das Hexenmal in der angegebnen Weise untersucht.